Dienstag, 7. Oktober 2008

Der Mensch ist nicht frei

Hirnforschung und Willensfreiheit
Zur Deutung der neuesten Experimente
Mir scheint der Satz "Nicht das Ich, sondern das Gehirn hat entschieden!" korrekt zu sein, denn "eine Entscheidung treffen" ist ein Vorgang, dessen Auftreten objektiv überprüfbar ist. Auf den linken oder rechten Knopf zu drücken ist eine Entscheidung, und man kann mit entsprechendem Aufwand experimentell untersuchen, was im Gehirn passiert, bevor und wenn diese Entscheidung getroffen wird. Falls es nun stimmt, dass es nicht das wollende und bewusst erlebende Ich ist, welches die Entscheidung über eine Handlung trifft, wer entscheidet dann tatsächlich?
Gerhard Roth

Wir tun nicht, was wir wollen, sondern wir wollen, was wir tun.
Die Formulierung bezieht sich auf die Experimente des Neurophysiologen Benjamin Libet von 1979, die dem Alltagsverständnis unseres Handelns widersprechen. Wir glauben, dass wir, wenn wir handeln, uns erst entscheiden und dann tätig werden. Ich als mentaler Akteur kommandiere meinen physischen Körper: Ich tue, was ich will.
Die Wissenschaft erklärt unser Handeln aber anders. Der Interpretation des Libet-Versuchs zufolge findet eine Entscheidung früher im Gehirn als im Bewusstsein einer Person statt. Das kann nur bedeuten, dass unser bewusster Willensimpuls so etwas wie ein Ratifizieren der Entscheidung ist, die das Gehirn schon getroffen hat: Ich will, was ich tue. Allerdings muss man beachten, dass die Libet-Situation einen sehr engen Zeitrahmen hat. Und wie weit man von dieser Situation auf andere Situationen schließen kann, ist noch eine offene Frage.
Sind die Libet-Experimente ein Hinweis darauf, dass wir durch unsere Gehirne determiniert sind?
Ja. Aber um festzustellen, dass wir determiniert sind, bräuchten wir die Libet-Experimente nicht. Die Idee eines freien menschlichen Willens ist mit wissenschaftlichen Überlegungen prinzipiell nicht zu vereinbaren. Wissenschaft geht davon aus, dass alles, was geschieht, seine Ursachen hat und dass man diese Ursachen finden kann. Für mich ist unverständlich, dass jemand, der empirische Wissenschaft betreibt, glauben kann, dass freies, also nichtdeterminiertes Handeln denkbar ist.
Die meisten Menschen sind doch aber davon überzeugt, dass sie freie, autonome Akteure sind.
Das sind unsere alltagspsychologischen Intuitionen. Die Alltagspsychologie ist dualistisch: sie unterscheidet zwischen mentalen und physischen Sachverhalten, und sie glaubt, dass der Geist den Körper regiert. Wenn wir wissenschaftlich denken, ist diese dualistische Position unhaltbar. Die Wissenschaft liebt Monismus und Determinismus.
Wolfgang Prinz

Der freie Wille ist eine Illusion. Eltern haften trotzdem für ihre Kinder.

Christian Geyer

Montag, 25. August 2008

Der Widerstreit zwischen Freiheit und Glück

Es gibt für den Menschen, wenn er frei bleibt, keine hartnäckigere und qualvollere Sorge als die, möglichst schnell jemanden zu finden, den er anbeten kann. Doch der Mensch strebt danach, etwas anzubeten, das über allen Zweifel erhaben ist, so hoch erhaben, dass alle Menschen zugleich bereit sind, es gemeinsam anzubeten. Denn die Sorge dieser jämmerlichen Geschöpfe besteht nicht nur darin, etwas zu finden, das ich oder ein anderer anbeten könnte, sondern etwas zu finden, woran alle glauben und was alle, unbedingt alle zusammen anbeten könnten. Gerade dieses Bedürfnis nach einer Gemeinsamkeit in der Anbetung war die größte Qual jedes einzelnen Menschen und der gesamten Menschheit seit dem Anfang der Zeiten. Um der gemeinsamen Anbetung willen rotteten sie einander mit dem Schwerte aus. Sie schufen Götter und forderten einander auf: "Verlasst eure Götter und kommt, die unsrigen anzubeten, oder ihr und eure Götter sollt des Todes sein!" Und so wird es bleiben bis zum Ende der Welt, selbst dann, wenn die Welt entgöttert sein wird: einerlei, sie werden sich vor Götzen niederwerfen.
Fjodor Dostojewski

Donnerstag, 17. Juli 2008

Eden - Das verlorene Paradies


Für Individuen, die keine Nachfahren gezeugt haben und gefressen werden, ist diese Welt ungerecht, da sie von Glück, Unglück, Gewinn und Verlust geprägt ist. Deswegen haben Vorfahren der Menschen überlegt: "Um uns vor der unwirtlichen, ungerechten Welt zu schützen, bilden wir eine Gesellschaft, um uns gegenseitig zu helfen. Das war selbstverständlich. Durch die Schaffung einer Gesellschaft wurde die Arbeit geteilt und die Produktivität stieg. Mit der Stärkung der Technik kontrollierte man zunehmend die Natur. Die Menschheit wuchs und wuchs. Einige sammelten Reichtum an, um den man Krieg führte. Man lernte aufgrund der vielen Kriege dazu und entwickelte ein fortschrittliches Gesellschaftssystem. Aber die Gesellschaft ist so ein verrücktes Ding. Je weiter sich die Gesellschaft entwickelt, desto mehr Ungerechtigkeiten entstehen innerhalb der Gesellschaft. Unterschiede in Bezug auf Arm und Reich, im Stand, Fähigkeiten, Aussehen, Rasse... Die Gesellschaft, die dazu dienen sollte, aus der grausamen Welt zu entfliehen, schafft nur neue Ungerechtigkeiten. Man kann natürlich auch als Armer fröhlich und friedlich leben. Dafür braucht man aber ein System, das die Unzufriedenheit über die Ungerechtigkeit der Armen absobiert. Zum Beispiel braucht  man bei einem ungerechten Tod ein Gedankenkonstrukt, sodass man mit der Ungerechtigkeit noch zurechtkommen kann. Diese Rolle übernahm sehr lange die Religion. Man lehrte, dass man trotz Armut, Diskriminierung und Repressalien, wenn man den Glauben hatte und untadelig leben konnte, auch bei einem frühen Tod in den Himmel kommen konnte und so Gerechtigkeit erfuhr. Dass man jedoch gar keinen Glauben mehr besitzt, das gibt es häufig unter Menschen, die in Ländern leben, in denen das Sozialsystem ausgereift ist. Man muss nicht unbedingt Glauben haben, wenn die Gesellschaft stabil und wohlhabend ist. Aber dennoch kommt der Tod ungerechterweise daher. Die menschliche Gesellschaft wird auch in Zukunft einen fadenscheinigen Grund finden, Kriege zu führen. Die Starken werden die Schwachen weiter schikanieren. Der Glaube, dass in Zukunft alles besser werden wird, ist irgendwie auf einem globalen Niveau stecken geblieben. Wie soll man die Seelen derer retten, die die Grausamkeit der Welt nicht aushalten, das Glück in der Gesellschaft nicht finden oder nicht an Gott glauben können?

Eden - It's an endless world von Hiroki Endo

Donnerstag, 26. Juni 2008

Plan zur Vollendung der Menschheit

Die meisten Menschen werden es als wichtiges Anliegen betrachten, die Menschheit auch in Zukunft als Bestandteil dieses Planeten zu erhalten - Zukunftsvisionen, die das Verlassen der Erde thematisieren einmal ausgenommen. Es wird sicher niemand bestreiten, dass es für dieses Unterfangen unabdingbar ist, die Natur/Umwelt als Ganzes wieder zu ihrer ursprünglichen Gesundheit, so weit es eben noch möglich ist, zurück zu verhelfen. Da der Mensch für die krankhafte Veränderung der Umwelt verantwortlich ist, hat er auch die größtmöglichen Opfer zu erbringen, die nötig sind, um dieses zu erreichen.
Dieses große Ziel vor Augen sind viele und zum Teil radikale Maßnahmen nötig, von denen hier vorerst nur diejenigen erläutert werden sollen, die am Anfang der großen Veränderung stehen, die zu einem gesunden Verhältnis zwischen Mensch und Natur führen soll.

Für eben benanntes gesundes Verhältnis ist es unerläßlich, die übergroße Anzahl der Menschen auf diesem Planeten deutlich zu senken.
Dies soll mit folgenden Maßnahmen erreicht werden:

1. Pro Familie ist nur ein Kind erlaubt.
2. Sollte ein weiteres Kind geboren werden, ohne dass das erste verstorben ist, wird dieses zweite Kind an eine andere kinderlose Familie übergeben und die Mutter ist zur Sterilisation verpflichtet.
3. Frauen, die als Gebährmaschinen fungieren, werden zwangssterilisiert.
4. Umweltvergehen gelten in Zukunft als Schwerverbrechen.
5. Wer trotz körperlicher Befähigung keiner für die Allgemeinheit nützlichen Arbeit nachgeht, macht sich ebenfalls eines Schwerverbrechens schuldig.
6. Schwerverbrechen werden mit dem Tode bestraft.
7. Geistig oder körperlich Behinderte, die keiner sinnvollen Arbeit nachgehen können, gelten zwar nicht als Schwerverbrecher, werden aus Gründen der Menschheitsdezimierung dennoch eliminiert. (Ausgenommen Fälle, in denen die Behinderung nicht angeboren und ein Dienst an der Gemeinschaft schon geleistet worden ist)
8. Verbrechen, die nicht in der Kategorie "Schwerverbrechen" eingeordnet sind, werden wie folgt geahndet:
Diebstahl = 100 g Fleisch pro 20 € (Wert des Gestohlenen)
Ehebruch = 1 Kilo Fleisch
Körperverletzung = 100g Fleisch pro Stunde der ärztlichen Zuwendung (bei kleineren Verletzungen) oder pro Tag der häusliche Pflege/Krankenhausaufenthalt (bei größeren Verletzungen); sollte dabei ein Wert von über 100 (also 10 Kg) erreicht werden, wird diese Straftat als Mordversuch angesehen und wird ebenfalls mit dem Tode bestraft.
Diese Kg-Angaben beziehen sich auf die Menge Fleisch (erlaubter Fett-Anteil max. 20%), die der Verurteilte aus seinem eigenem Körper herauszuschneiden hat - Mengen über 2 Kg dürfen dabei in Raten "bezahlt" werden.

Diese Maßnahmen werden nicht ausreichend sein und verstehen sich nur als 1. Schritt in die richtige Richtung.

Nantej, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedern von Psychosis NOS

Montag, 5. Mai 2008

Psychiatrie: Die Tyrannei der Mehrheit


Geisteskrankheit - ein moderner Mythos?
1. Genau genommen können Krankheiten nur den Körper affizieren; daher kann es keine Geisteskrankheit geben.
2. "Geisteskrankheit" ist eine Metapher. Ein Geist kann nur in dem Sinne "krank" sein wie schwarzer Humor "krank" ist oder die Wirtschaft "krank" ist.
3. Psychiatrische Diagnosen sind stigmatisierende Etiketten; sie sollen an die medizinische Diagnosepraxis erinnern und werden Menschen angehängt, deren Verhalten andere ärgert oder verletzt.
4. Gewöhnlich werden Menschen, die unter ihrem eigenen Verhalten leiden und darüber klagen, als "neurotisch" und jene, unter deren Verhalten andere Leiden und über die sich andere beklagen, als "psychotisch" bezeichnet.
5. "Geisteskrankheit" ist nicht etwas, was eine Person hat, sondern etwas, was sie tut oder ist.
6. Wenn es keine "Geisteskrankheit" gibt, kann es keine "Hospitalisierung", "Behandlung" oder "Heilung" von "Geisteskrankheiten" geben. Menschen können mit oder ohne Eingreifen des Psychiaters ihr Verhalten oder ihre Persönlichkeit ändern. Solche Eingriffe nennt man heute "Behandlung". Die Veränderung, wenn sie in einer von der Gesellschaft gebilligten Richtung verläuft, heißt "Genesung" oder "Heilung".
7. In die Strafrechtspraxis eingedrungene psychiatrische Vorstellungen - z.B. Antrag auf Unzurechnungsfähigkeit' Gutachten über das seelisch-geistige Unvermögen des Beklagten, einen Prozeß durchzustehen, usw. - korrumpieren das Recht und machen die Bürger, derentwegen sie vorgeblich herangezogen werden, zu Opfern.
8. Persönliches Verhalten folgt stets Regeln, ist strategisch und sinnvoll. Soziale Beziehungen können als Spiele betrachtet und analysiert werden, wobei das Verhalten der Spieler von ausdrücklich formulierten oder stillschweigend wirksamen Spielregeln gelenkt wird.
9. Bei den meisten Arten von freiwilliger Psychotherapie versucht der Therapeut dem Behandelten die unausgesprochenen Spielregeln, nach denen er sich richtet, zu erläutern und ihm bei der Überprüfung der Ziele und Werte der von ihm praktizierten Lebensspiele zu helfen.
Es gibt keine medizinische, moralische oder juristische Rechtfertigung für unerbetene psychiatrische Eingriffe wie "Diagnose", "Hospitalisierung" oder "Behandlung".
Sie sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Thomas Szasz

Samstag, 26. Januar 2008

Die holde Naturwissenschaft

Der Konstrukteur Trurl erbaute einmal eine Maschine, die alles herstellen konnte, was mit dem Buchstaben n begann... Da lud er den Kostrukteur Klapauzius zu sich ein, stellte ihm die Maschine vor und lobte überschwenglich ihre außerordentlichen Fähigkeiten - bis dieser schließlich wütend wurde und darum bat, ihr selber etwas aufzutragen.
"Bitte sehr", sagte Trurl, "aber es muss auf n sein."
"Auf n?", fragte Klapauzius, "Schön, dann soll sie Naturwissenschaften klopfen."
Die Maschine erzitterte, grunzte und alsbald füllte sich der Platz vor Trurls Domizil mit einer n-Zahl von Naturwissenschaftlern. Sie rauften sich die Haare, schrieben in dicke Bücher, einige griffen nach ihnen und rissen sie in Fetzen; in der Ferne loderten Scheiterhaufen, auf denen die naturwissenschaftlichen Märtyrer schmorten, hie und da explodierte etwas, entwickelten sich seltsame Dämpfe in Gestalt von Pilzen; alle redeten durcheinander, sodass niemand ein Wort verstand, manche verfassten hastig Denkschriften, Petitionen und Resolutionen; ein wenig abseits wiederum, vor den Füßen der Gestikulierer, hockten ein paar Greise und schrieben etwas mit winzigen Buchstaben auf Papierfetzen.
"Nicht schlecht, was?", rief Trurl entzückt aus, "Die holde Naturwissenschaft, wie sie leibt und lebt!" 
Stanislaw Lems

Samstag, 19. Januar 2008

Eine Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis

Da die Philosophie nichts anderes ist als das Streben nach Weisheit und Wahrheit, so sollte man vernunftgemäß erwarten dürfen, dass die, welche am meisten Zeit und Mühe auf sie verwendet haben, sich einer größeren Ruhe und Heiterkeit des Gemütes, einer größeren Klarheit und Sicherheit der Erkenntnis erfreuen und weniger durch Zweifel und Bedenken beunruhigt werden als andere Menschen. Wir sehen dagegen, dass vielmehr die ungelehrte Menge der Menschen, die auf der Landstraße des schlichten Menschenverstandes wandelt und durch die Gebote der Natur geleitet wird, größtenteils zufrieden und ruhig lebt.
Ihnen scheint nichts, was gewöhnlich ist, unerklärlich oder schwer zu begreifen. Sie klagen nicht über irgendwelche Unzuverlässigkeit ihrer Sinne und sind ganz frei von der Gefahr, Skeptiker zu werden. Sobald wir uns aber der Leitung der Sinne und der natürlichen Triebe entziehen, um dem Lichte eines höheren Prinzips zu folgen, um über die Natur der Dinge mittels unserer Vernunft Schlüsse zu ziehen, über sie nachzudenken und zu reflektieren, erheben sich sofort tausend Zweifel in unserem Geist in Betreff eben der Dinge, welche wir vorher völlig zu begreifen schienen. Vorurteile und Irrtümer der Sinne enthüllen sich von allen Seiten her unserem Blick, und indem wir diese durch Nachdenken zu berichtigen streben, werden wir unvermerkt in seltsame, von der gewöhnlichen Meinung abweichende Behauptungen, Schwierigkeiten und Widersprüche verstrickt, die sich in dem Maße, als wir in der Betrachtung weiter gehen, vermehren und steigern, bis wir uns zuletzt, nachdem wir manche verschlungene Irrgänge durchwandert haben, gerade an dem Punkte wiederfinden, von welchem wir ausgegangen waren, oder, was schlimmer ist, die Forschung aufgeben und, in Zweifelsucht verloren, die Hände in den Schoß legen.
George Berkeley