Samstag, 26. Januar 2008

Die holde Naturwissenschaft

Der Konstrukteur Trurl erbaute einmal eine Maschine, die alles herstellen konnte, was mit dem Buchstaben n begann... Da lud er den Kostrukteur Klapauzius zu sich ein, stellte ihm die Maschine vor und lobte überschwenglich ihre außerordentlichen Fähigkeiten - bis dieser schließlich wütend wurde und darum bat, ihr selber etwas aufzutragen.
"Bitte sehr", sagte Trurl, "aber es muss auf n sein."
"Auf n?", fragte Klapauzius, "Schön, dann soll sie Naturwissenschaften klopfen."
Die Maschine erzitterte, grunzte und alsbald füllte sich der Platz vor Trurls Domizil mit einer n-Zahl von Naturwissenschaftlern. Sie rauften sich die Haare, schrieben in dicke Bücher, einige griffen nach ihnen und rissen sie in Fetzen; in der Ferne loderten Scheiterhaufen, auf denen die naturwissenschaftlichen Märtyrer schmorten, hie und da explodierte etwas, entwickelten sich seltsame Dämpfe in Gestalt von Pilzen; alle redeten durcheinander, sodass niemand ein Wort verstand, manche verfassten hastig Denkschriften, Petitionen und Resolutionen; ein wenig abseits wiederum, vor den Füßen der Gestikulierer, hockten ein paar Greise und schrieben etwas mit winzigen Buchstaben auf Papierfetzen.
"Nicht schlecht, was?", rief Trurl entzückt aus, "Die holde Naturwissenschaft, wie sie leibt und lebt!" 
Stanislaw Lems

Samstag, 19. Januar 2008

Eine Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis

Da die Philosophie nichts anderes ist als das Streben nach Weisheit und Wahrheit, so sollte man vernunftgemäß erwarten dürfen, dass die, welche am meisten Zeit und Mühe auf sie verwendet haben, sich einer größeren Ruhe und Heiterkeit des Gemütes, einer größeren Klarheit und Sicherheit der Erkenntnis erfreuen und weniger durch Zweifel und Bedenken beunruhigt werden als andere Menschen. Wir sehen dagegen, dass vielmehr die ungelehrte Menge der Menschen, die auf der Landstraße des schlichten Menschenverstandes wandelt und durch die Gebote der Natur geleitet wird, größtenteils zufrieden und ruhig lebt.
Ihnen scheint nichts, was gewöhnlich ist, unerklärlich oder schwer zu begreifen. Sie klagen nicht über irgendwelche Unzuverlässigkeit ihrer Sinne und sind ganz frei von der Gefahr, Skeptiker zu werden. Sobald wir uns aber der Leitung der Sinne und der natürlichen Triebe entziehen, um dem Lichte eines höheren Prinzips zu folgen, um über die Natur der Dinge mittels unserer Vernunft Schlüsse zu ziehen, über sie nachzudenken und zu reflektieren, erheben sich sofort tausend Zweifel in unserem Geist in Betreff eben der Dinge, welche wir vorher völlig zu begreifen schienen. Vorurteile und Irrtümer der Sinne enthüllen sich von allen Seiten her unserem Blick, und indem wir diese durch Nachdenken zu berichtigen streben, werden wir unvermerkt in seltsame, von der gewöhnlichen Meinung abweichende Behauptungen, Schwierigkeiten und Widersprüche verstrickt, die sich in dem Maße, als wir in der Betrachtung weiter gehen, vermehren und steigern, bis wir uns zuletzt, nachdem wir manche verschlungene Irrgänge durchwandert haben, gerade an dem Punkte wiederfinden, von welchem wir ausgegangen waren, oder, was schlimmer ist, die Forschung aufgeben und, in Zweifelsucht verloren, die Hände in den Schoß legen.
George Berkeley