In der Finsternis von Shadow Moses - die inoffizielle Wahrheit
Autorin: Nastasha Romanenko
Rezensiert von George Franklin
Manche Themen der jüngsten amerikanischen Geschichte sind noch immer so
gegenwärtig und so bedeutend, dass sie nach wie vor unser aller
Phantasie beschäftigen. Namen wie "The Grassy Knoll" oder "Roswell"
sprechen wir so andächtig aus, wie in anderen Ländern nur die Namen
heiliger Stätten ausgesprochen werden. Dank dieses Tatsachenberichtes
von Nastasha Romanenko wird wohl auch Shadow Moses, eine Insel, von der
vor zwei Jahren eine nukleare Belagerung ausging, in diese Kategorie
aufgenommen werden.
Gemäß der offiziellen Geschichtsschreibung handelte es sich bei der
Besetzung einer Kernwaffenentsorgungsanlage auf einem einsamen Vorposten
der Fox Islands im Beringmeer vor Alaska um das Werk einer militanten
rechtsradikalen Gruppe. Ihre Forderungen nach Freilassung inhaftierter
Gruppenmitglieder wurden nicht erfüllt und der Zwischenfall wurde durch
den erfolgreichen Einsatz einer Kommandoeinheit schnell erledigt.
Gewaltiger Unsinn, meint die Autorin dazu. Romanenko sagt, sie sei
Beraterin des Nuklearnotfall-Suchteams (Nuclear Emergency Search Team)
gewesen, und sie seziert präzise eine Geschichte, die ihrer Ansicht nach
der Regierung nur zur Verschleierung der Tatsachen diente.
Der Autorin zufolge handelte es sich bei der Insel Shadow Moses in
Wahrheit um ein Testgelände der U.S. Army für eine streng geheime Waffe -
den unter der Bezeichnung "Metal Gear REX" bekannten zweibeinigen
Allgeländepanzer mit fortgeschrittenen nuklearen Fähigkeiten.
Hinsichtlich der Besetzung des Geländes erhebt Romanenko den Vorwurf,
dass "FOXHOUND", die obskure Sondereinsatztruppe des US-Militärs,
zuständig für alle anfallenden "Dreckarbeiten", habe einen bewaffneten
Aufstand organisiert, um in Besitz von "REX" zu gelangen.
Die Regierung reagierte auf diese Krise mit der Entsendung eines
einzigen Kommandokämpfers nach Shadow Moses, der unter dem Codenamen
"Solid Snake" bekannt ist und früher Angehöriger von "FOXHOUND" war.
Seine Einschleusung wird von einem dezentralen Einsatzkontrollteam
unterstützt, zu dem der nicht näher identifizierte Oberst Campbell, die
FOXHOUND-Chefärztin Naomi, die Radar- und Elektronikexpertin Mei Ling
(angeblich ein Teenager) sowie die Autorin selbst gehören. Auf der Insel
verbündet sich "Snake" mit "Otacon", dem in den Händen der Aufrührer
befindlichen Entwickler von Metal Gear, um die Massenvernichtungswaffe
zu eliminieren.
Andere bemerkenswerte Figuren, die in Romanenkos Enthüllung in
Erscheinung treten, sind ein weiterer Angehöriger des
FOXHOUND-Kommandos, der Revolvervirtuose "Shalashaska" alias
"Revolver-Ocelot". Eine der umstrittensten Anschuldigungen in diesem
Buch befasst sich mit der Verbindung dieser Figur mit einer verleugneten
russischen Miliz unter Führung eines gewissen "Oberst Gurlukowitch".
Romanenko zeichnet das düstere Bild einer tausend Mann starken,
hochdisziplinierten Armee mit Kernwaffen, die verdeckt innerhalb der
amerikanischen Grenzen operieren. Noch anziehender für
Verschwörungsexperten und Stundenten der modernen Geschichte ist ihre
kaum verhüllte Andeutung, die ganze Angelegenheit sei von Anfang an von
bestimmten Kräften innerhalb der amerikanischen Regierung geplant
gewesen.
In einem Statement bezeichnen die US-Armee und die üblichen
verdächtigten Bundesbehörden den Inhalt des Buches als frei erfunden. Da
im Internet aber jeden Tag neue detaillierte Augenzeugenberichte
auftauchen, die die Behauptung der Autorin unterstützen, verstärken die
Verneinungen eher noch das wachsende Ansehen des Buches. "Shadow Moses"
ist für jeden Leser, gleichgültig ob als entspannende Lektüre oder als
Informationsquelle gesehen, gleichermaßen spannend und wird wohl noch
viele Jahre lang für eine intensive Debatte über den Wahrheitsgehalt der
ganzen Angelegenheit sorgen.
Auszug aus "The New York Mirror“, der Literaturkritik-Kolumne "Alles gebucht"