Samstag, 14. Dezember 2013

Zufall und Schicksal

Zufall und Schicksal sind die zwei Seiten einer Medaille, gegensätzlich unterstützt von Realisten und Träumern. Manche sprechen davon, den Teufel an die Wand zu malen, und klopfen auf Holz, weil sie sein Erscheinen fürchten. Etwas Unheilvolles ausgesprochen zu haben soll die Ursache für das spätere Unglück sein. Gestern war Freitag, der 13te. Ein idealer Tag, um übergeordneten Mächten die Schuld an den zufällig passierenden Unfällen zu geben. Ich höre sehr oft, es könne gar kein Zufall sein, dass zwei scheinbar unzusammenhängende Ereignisse plötzlich aufeinandertreffen. Jeder kennt vermutlich diese Momente, in denen man zum Beispiel etwas sagt und das Gesagte zeitnah eintritt. Sobald jemand felsenfest behauptet, die Wahrscheinlichkeit sei zu gering, dass es sich hierbei um Zufall handelt, frage ich stets: Was soll es sonst gewesen sein? Schicksal?
Vielleicht wäre es interessant, jemanden mit Block und Papier loszuschicken, der eine Strichliste darüber führt, wann auf eine Aussage kein besonderes Ereignis folgt. Die sogenannten schicksalshaften Begebenheiten kämen dann vermutlich nicht einmal mehr auf ein Prozent. Da fragt man sich, ob es nicht schon ein unwahrscheinlicher Zufall ist, dass es von diesen Schicksalsereignissen nicht noch viel mehr gibt. In therapeutischen Fragebögen nennt man das „magisches Denken“. (Ich persönlich würde darunter auch jede religiöse Idee verbuchen.) Wie mir aufgefallen ist, suchen Menschen oft bei Zufällen eine Erklärung, die nicht kausal belegt werden kann. Man redet von Karma oder davon, dass jeder irgendwann bekommt, was er verdient.
In meinem folgenden Beitrag beschäftige ich mich allerdings nicht oberflächlich, sondern historisch philosophisch mit diesem Thema, das bereits im Naturalismus und Materialismus der Antike eine Rolle spielte, wenn auch keine, der damals sonderlich viel Beachtung geschenkt wurde. Alexander von Aphrodisias ist selbst schon kein Philosoph, der sich seiner Bekanntheit rühmen kann. Und Aristoteles hat darüber nur geschrieben, weil er über so gut wie jedes Thema irgendwann mal etwas geschrieben hat. Es wird ab hier also sehr theoretisch.
Alexander von Aphrodisias stellt in seiner Abhandlung "Über das Schicksal" zwei Positionen gegenüber, die das Wesen der Welt zu beschreiben versuchen, auf der einen Seite die stoische Schule und auf der anderen die Lehre von Aristoteles, welche Alexander selbst vertritt und verteidigt. Der Mensch ist diesen naturalistischen Theorien zufolge kein autonom agierendes Wesen. Im Zuge dessen liefern beide philosophischen Anschauungen verschiedene Definitionen für solcherlei Zuschreibungen wie das Schicksal, den Zufall oder die daraus erwachsende Frage der Verfügungsgewalt von Lebewesen. Letzteres wird dem Menschen sowohl von den Stoikern als auch von den Peripatetikern zugestanden. Auf den ersten Blick erscheint es wie ein Widerspruch, dass die Gemeinsamkeit dieser Philosophien in den Annahmen besteht, alle Ursachen seien kausal miteinander verbunden, aber es würden trotzdem Willensfreiheit und Selbstbestimmung existieren. Diese Antinomie wird meines Erachtens von den Positionen durch das Moment der Verfügungsgewalt gelöst, wobei die jeweiligen Begründungen differieren.
Ich greife deshalb nebenbei Aristoteles auf, weil Alexander von Aphrodisias in seiner Einteilung der werdenden Dinge die aristotelische Vorlage nachvollzieht, vielleicht sogar präzisiert. Besonderes Augenmerk legt er hierbei auf die Einordnung des Zufalls. Demnach wird dem Zufall das Schicksal entgegengestellt, obwohl beide auf ähnliche Weise über das Leben zu bestimmen scheinen. Die Eigenverantwortlichkeit des Individuums kommt natürlich auch wieder zum Zug. (Das ist ohnehin etwas, worüber ich stundenlang schwafeln könnte.)
Alexander von Aphrodisias legt fest, alles Werdende entstünde entweder mit einem Zweck respektive Ziel oder ohne ein solches. Unter den werdenden Dingen lässt sich sicherlich einiges aufzeigen, das ohne Ziel entsteht, wenigstens ohne erkennbares. Es wird allerdings die Frage aufgeworfen, ob eine derartige Entsprechung auch auf den Zweck angewandt werden kann. Schließlich kann das ziellos Werdende oder Gewordene trotzdem einen Zweck erfüllen, sobald ein Lebewesen, das sich damit konfrontiert sieht, ihm einen solchen zuschreibt. Alexander von Aphrodisias gibt keine genauere Definition dessen, was man sich unter einem Ziel oder einem Zweck vorzustellen hat und worin die Unterschiede zwischen beiden zu suchen sind. Die Bedeutung der zwei Begriffe soll an dieser Stelle eingeschränkt werden auf die Festlegung eines Endpunktes, des Weiteren auf ein aus Ursachen vollzogenes Ergebnis sowie auf das vom handelnden Lebewesen Angestrebte. Mehr Beachtung erhalten dagegen die um einer Sache willen werdenden Dinge. Diese wiederum unterteilen sich in naturgemäß Geschehendes, das den Grund seines Werdens in sich selbst hat, und vernunftgemäß Geschehendes, das seine bewirkende Ursache gerade nicht in sich selbst trägt und erst durch das Nachdenken darüber zustande kommt.
Abgesehen von den Aspekten aus Mathematik und Informatik, auf die ich hier nicht eingehen will, sind wir damit beim Random. Ist der Zufall als eine dritte Kategorie unter den Dingen einzufügen, die wegen etwas entstanden sind, oder gehört er den Bereichen der naturgemäß bzw. vernunftgemäß werdenden Dinge an? Folgendermaßen erklärt Alexander von Aphrodisias den Zufall als das, was anders geschieht, als es aus dem Grund, aus dem es geschieht, hätte geschehen müssen. Das Ergebnis des Zufallsereignisses unterscheidet sich demnach von dem zu Beginn angestrebten Ziel oder impliziert zumindest manches, das über das erste Ziel hinausgeht. Dieser Erklärung zufolge ist es besonders bei den vernunftgemäß werdenden Dingen anzunehmen, dass sie aus Zufall entstehen können, da Vernunft nur von Individuen getragen werden kann, die sich ihres Handelns und somit des zuvor geplanten Zieles bewusst sind, sodass diese Individuen darüber entscheiden und erkennen können, ob etwas aus Zufall mehr oder anders geworden ist, als es dem ursprünglichen Ziel entspricht. Hingegen ist eine Reflektion über das naturgemäß Passierende und dessen vorangegangene Zielsetzung sowie die vollständige Erkenntnis über die natürliche Ursachenverkettung nicht so einfach anzustellen. Dafür nämlich müsste vorausgesetzt werden, dass der Betrachter, der in dem naturgemäß eintretenden Geschehen einen Zufall zu erkennen vermeint, sich darüber im Klaren ist, welches Ziel die Natur in erster Linie verfolgte. Die Entschlüsselung der teleologischen Natur wiederum würde offenbaren, was aus Zufall verfehlt worden wäre. Es heißt, die Natur mache keine Fehler und würde alles treffend einrichten. Schon allein aus diesem Grund scheint eine zufällige Verfehlung nicht den naturgemäß werdenden Dingen eigen zu sein.
Das bedeutet, dass der Zufall den vernunftgemäß um einer Sache willen werdenden Dingen zugeordnet werden kann, auch wenn Alexander von Aphrodisias eine solche Zuteilung nicht eindeutig vornimmt. Die These soll anhand des Vergleiches mit den aristotelischen Ausführungen bestätigt werden. Zu der genannten Thematik äußert sich Aristoteles nämlich wie folgt:

„Das eine (das Zufallsereignis) hat seine Ursache außerhalb seiner, das andere (das Naturereignis) in sich selbst.“¹

Wenn das Zufallsereignis seine Ursache nach Aristoteles außerhalb seiner selbst hat, es demnach kein Naturereignis sein kann, dann kommt der Zufall den vernunftgemäß werdenden Dingen zu, deren Anfang und bewirkende Ursache für ihr Dasein außerhalb ihrer selbst zu finden sein muss. Denn Zufall kann es nur für vernünftige Lebewesen geben, die in der Lage sind, ihn in den Geschehnissen zu erkennen. Trotz dieser Zuordnung stellt sich die Frage, inwiefern sich der Zufall dieser Bestimmung folgend überhaupt von jenen werdenden Dingen unterscheiden lässt, die nicht um einer Sache willen, also ohne Ziel geschehen, da der Zufall eben kein Ziel zu erfüllen vermag, wodurch er letztlich auch erst als Zufall bezeichnet werden kann.
Im Gegensatz zu den Stoikern sieht Alexander von Aphrodisias nicht alles als starr festgelegt. Das Schicksal tritt seiner Meinung nach als wirkende Ursache auf, vergleichbar mit einem Künstler, der ein Kunstwerk erschafft. Diese Erklärung ist zurückzuführen auf die vier Ursachenarten bei Aristoteles, die alles Sein auf Stoff, Form, Zweck und Wirkursache zurückführen. Demzufolge entspräche das Schicksal dem Letztgenannten. Die scheinbar determinierende Gewalt des Schicksals wird allein deshalb, weil es lediglich eine Ursache unter anderen ist, bereits so weit eingeschränkt, dass sich das Individuum nicht mit dem Verweis auf die eigene Machtlosigkeit von jeder Verantwortlichkeit freisprechen kann.
Nichtsdestotrotz entzieht sich das Schicksal dem vernunftgemäßen Nachdenken des Menschen. Es ist nicht möglich, eine außerhalb liegende Ursache des Schicksals anzugeben. Aus diesem Grund muss es den naturgemäß werdenden Dingen angehören. Alexander von Aphrodisias geht sogar noch einen Schritt weiter, indem er ausführt, Schicksal und Natur seien Dasselbe:

„Denn das Schicksalsverhängte ist der Natur gemäß, und das Naturgemäße ist vom Schicksal verhängt.“²

Erstaunlicherweise wird mit dieser Erklärung dem Begriff des Schicksals jeglicher mystisch übertriebene Beiklang genommen und ihm stattdessen ein rationales Fundament bereitet.
Würde jede Handlung des Menschen beispielsweise aufgrund des Schicksals aus Notwendigkeit geschehen, dann wären Überlegungen irrelevant und ohne Sinn. Die Natur würde mit der Vergabe der Vernunft sich selbst ad absurdum führen, was der Voraussetzung, nichts sei ohne Grund, zuwiderliefe. Den Menschen unterscheidet jedoch naturgemäß von anderen Lebewesen, dass er seine Wahrnehmung überprüfen und vermittels des Verstandes entscheiden kann, ob die Erscheinung auch wahr sei. Einer Katze erscheint es nicht fragwürdig, einem Lichtstrahl hinterher zu jagen, weil sie ihn für etwas Greifbares hält. Der Mensch aber ist in der Lage, zu deduzieren, dass es sich nur um die Reflektion der Sonne auf einem Stück Glas handelt. Ein weiteres Beispiel findet sich in optischen Täuschungen. Im Wasser erscheint ein Stab gebrochen, und obwohl der Mensch seine Wahrnehmung nicht derart korrigieren kann, um die Erscheinung an die Wirklichkeit anzugleichen, besitzt er doch die Entscheidungsgewalt darüber, das Wahrgenommene als falsch zu erkennen.
Die Stoiker begrenzen die Verfügung des Menschen darauf, dass er nach der Prüfung der Erscheinung aus innerem Antrieb seine Zustimmung geben könne. Alexander von Aphrodisias widerspricht dieser Argumentation, da hierin nur eine Freiwilligkeit zur Handlung gefunden werden kann, die genauso gut allen anderen Lebewesen zukommt, nicht aber eine Eigenverantwortlichkeit, die gerade der Natur des Menschen entspricht. Erst aus der Vernunft entsteht Verfügungsgewalt, weil der Mensch die Möglichkeit besitzt, auch das Gegenteil einer Handlung zu wählen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Ein Lebewesen, das nicht des Vernunftschlusses befähigt ist, kann das Vorliegen des Zufalls nicht ausmachen. Dazu gehört die Erkenntnis darüber, was das eigentliche Ziel des Geschehens hätte sein sollen, sowie das Wissen um jenes andere Ziel, das zwar nicht im gleichen Zusammenhang angestrebt, aber dennoch gewollt wurde. Anhand ihrer Eigenschaften determinieren Zufall und Schicksal das Werdende auf sehr ähnliche Weise. Der Unterschied zwischen ihnen besteht darin, dass der Zufall den vernunftgemäß werdenden Dingen zukommt und dementsprechend aufgefasst werden kann, wohingegen das Schicksal seine Ursache naturgemäß in sich selbst trägt. Zufall und Schicksal sind somit voneinander verschieden. Ihr Einfluss auf die menschlichen Handlungen wird insofern gehemmt, wie der Mensch sich entschließt, die Dinge als wahr oder falsch aufzufassen. Seine von der Natur gegebene Verfügungsgewalt gibt ihm mit der Vernunft das Mittel an die Hand, um die eine oder andere Handlung zu wählen.
Man könnte es auch anders formulieren: als ein Naturgesetz. Löst sich ein Blatt vom Ast, dann ist es gleichsam Zufall wie Schicksal, dass es zur Erde segelt. Schicksal einerseits wegen der Vorhersagbarkeit des Falls, andererseits wegen der Gravitation, gegen die sich das Blatt nicht wehren kann. Zufall wäre es laut David Hume, der meinte, dass wir kausale Gesetze nur aufstellen können, weil sie nach unseren Beobachtungen zufällig stets aufeinander folgen. Das eigentlich Spannende ist, dass nur der Mensch in der Lage ist, über diese Festlegung zu urteilen. Erst recht dann, wenn er eine Sekunde vorm Laubflug sagte: "Blatt, löse dich vom Ast!"

¹ Aristoteles: Physikvorlesung, Berlin 1967 [Werke in deutscher Übersetzung, Band 11], S. 83.
² Alexander von Aphrodisias: Über das Schicksal, Berlin 1995, S. 37.

Montag, 9. Dezember 2013

Pädophilie: Sex-Tourismus mit Sweetie

Lange, lange habe ich überlegt, ob ich wohl wirklich einen Eintrag über dieses Thema verfassen soll, weil ich weiß, wie viel Abwertung, Wut, Hass, Missverständnisse oder ähnliches man mit diesem Thema heraufbeschwören kann.
(Ich gehe allerdings davon aus, dass sowieso kaum jemand mein Weblog liest, darum ist es vermutlich doch nicht so problematisch. ^^)

Eine Meinung zu Pädophilie (genauso wie zu anderen, nicht nur sexuellen Neigungen) habe ich schon seit Jahren und man stößt manchmal auch in meinen Texten darauf. Neuerlich kam ich aufgrund zweier Themen wieder darauf. Erstens wegen der berechtigten Anschuldigungen gegen den Sänger der Lostprophets, zweitens lief vor einiger Zeit in den Nachrichten ein Beitrag über Sweetie, das von einer niederländischen Menschenrechtsorganisation animierte Computermädchen, welches zahlreiche Pädophile im Internet entlarvte.

 
Wie ein computergeneriertes Mädchen tausende Pädophile entlarvt hat

Mit meiner Meinung werde ich wohl kaum auf Zustimmung stoßen, weil ich persönlich bestimmte sexuelle Neigungen nicht grundsätzlich verurteile. Wenn (vornehmlich) Männer nicht erkennen, dass es kriminelle Ausbeutung und genauso schlimm wie sexuelle Belästigung ist, sich über eine Webcam mit Kindern zu vergnügen, steht das bezüglich der Schuldigkeit auf einem ganz anderen Blatt als die Orientierung an sich. Niemand kann etwas für seine sexuellen Neigungen. Man kann sie als krankhaft bezeichnen, aber schließlich wird selbst heute noch Homosexualität in einigen Ländern als pathologisch betrachtet oder sogar unter Strafe gestellt, obwohl hierbei niemand belästigt oder misshandelt wird. Die eigene Sexualität darf meines Erachtens nicht zu Strafhandlungen führen, ob an Kindern, an Tieren oder gar an Leichnamen und was es da nicht alles für Orientierungen gibt. Doch kann man so etwas wirklich als krank bezeichnen, wenn der Betroffene selbst es nicht als solches empfindet, solange er seine Neigung nicht zum Schaden seines "Lustobjekts" frei auslebt (also auch ohne Sex-Chats mit Minderjährigen)?

Durch Sweetie konnten Informationen über die Internettäter herausgefunden werden, die letztlich zu ihrer Überführung dienten. Natürlich dürfen Kinder nicht sexuell missbraucht werden, dazu gehören selbstredend auch anzügliche Fotos, die von ihnen gemacht und zu diesem Zweck ins Internet gestellt werden. Solche, die sich diese Bilder herunterladen, insbesondere sobald sie dafür bezahlen, sind meines Erachtens gerechtfertigt zu verurteilen. Allerdings - und hier ist mir klar, dass viele meine Ansicht verantwortungslos finden - halte ich computergenerierte oder gemalte Bilder für eine gute Alternative. Auf Animexx ist es verboten, Texte oder Bilder zu posten, in denen Sex mit Kindern dargestellt ist. Das ist völlig in Ordnung, immerhin vertritt jede Internetseite ein spezielles Image. Trotzdem kann ich diese Verurteilung, obwohl ich persönlich kein Interesse an Shota hege, nicht ganz nachvollziehen, weil keinem einzigen Kind damit geschadet wird.

In Buchform darf man beinahe alles schreiben, solange es erst mal gedruckt wurde und in den Regalen der Buchhandlungen steht. Wer zum Beispiel "Justine" von Marquis de Sade kennt, versteht, wovon ich spreche. Darin werden auf perverseste Weise junge Mädchen, sogar Kleinkinder vergewaltigt und verstümmelt. "Justine" gehört wohlgemerkt zu unserer Weltliteratur. Angesichts dieses Gegensatzes finde ich eine Internetzensur von Texten in der Tat fragwürdig.
Ich habe nichts gegen die jeweiligen Verbote, beispielsweise hier auf Animexx, und finde auch die Argumentation, dass solche Dinge nicht verharmlost werden dürfen, durchaus nachvollziehbar. Dennoch ist es schon merkwürdig, dass zahlreiche meinetwegen dreizehnjährige Mädchen Fanfictions über Vergewaltigungen schreiben, diese jedoch gar nicht oder erst ab 18 Jahren in Archiven freigeben dürfen. Demnach könnten sie mit ihrem Geschriebenen Leuten schaden, die in ihrem eigenen Alter sind. Irgendwoher muss diese sogenannte "Schädigung" aber doch schon vorher gekommen sein. Ich finde, solange es nur bei Fantasie bleibt, führt sich eine Zensur selbst ad absurdum. Das Gedankengut ist ohnehin schon vorhanden und konsumieren würde man derlei Sachen wahrscheinlich nicht, wenn man es nicht in irgendeinem Ansatz schon vorher gut fände. Zumindest kann ich mir das schlecht vorstellen.
Damals auf yaoi.de war es geradezu erstaunlich, welcher Beliebtheit sich rape erfreute. Da wurden auch zahlreiche Diskussionen dazu im Forum geführt. Dass man von diversen unrealistischen Fanfictionvorstellungen nicht auf die Realität schließen darf, muss jedem selbstverständlich klar sein, aber allein die Verbote tragen zu einer solchen Erkenntnis nicht viel bei.

Um zum eigentlichen Thema zurückzukommen, nachdem ich abgeschweift bin:
Pädophilie kann man als Krankheit sehen, sobald der Betroffene darunter leidet oder Gefahr läuft, anderen damit zu schaden. Aber an sich ist es nur eine sexuelle Ausrichtung wie jede andere auch. In der Tat, eine sexuelle Neigung, die man niemals in der Realität ausleben darf oder können dürfen sollte, aber meiner Meinung nach trotzdem eine, die man mit Gedanken, Bildern oder Texten befriedigen kann, ohne dass jemandem dabei geschadet wird.
Die computergenerierte "Sweetie" war zwar zu einem anderen Zweck gedacht, doch warum stellt man solchen Leuten nicht ein derartiges Programm legal zur Verfügung? Die Erklärung, Pädophilen würde damit Stoff zur Enthemmung gegeben werden, ist genauso logisch oder nachvollziehbar wie die, dass sie durch ständige Unterdrückung ihrer Triebe irgendwann die Kontrolle verlieren und dann aus Verzweiflung ein Kind anfallen, obwohl sie das eigentlich nicht wollen. Einige leiden unter ihren Neigungen und man sollte ihre Ausrichtung nicht per se verurteilen, diese Menschen gar als abartig abstempeln.
Ähnliche Debatten kann man sicher auch über brutale Videospiele führen, die jemanden angeblich enthemmen sollen, sodass man irgendwann Amok läuft. Genauso gut könnte man die Frage in den Raum stellen, ob die Liebhaber von Ego-Shootern nicht gerade deshalb niemanden in der Realität abknallen, weil sie in ihrer Frustration auf virtuelle Köpfe ballern können.

Dienstag, 3. September 2013

Der Wahnsinn will Verstecken spielen

Der Wahnsinn hatte sich entschlossen, all seine Freunde, die Gefühle und Qualitäten des Menschen, zum Kaffee einzuladen. Alle Gäste gingen hin und nach dem Dessert gähnte die Langeweile bereits zum dritten Male. Da schlug der Wahnsinn vor: "Lasst uns Verstecken spielen!"

Die Intrige hob die Augenbraue und die Neugierde konnte sich nicht mehr zurückhalten und fragte: "Verstecken, was ist das?"

"Verstecken ist ein Spiel. Ich zähle bis hundert und ihr versteckt euch. Wenn ich dann fertig gezählt habe, muss ich euch suchen und der erste, den ich finde, ist als nächstes mit dem Zählen dran."

Der Wahnsinn war wahnsinnig begeistert. Die Begeisterung und die Euphorie tanzten vor Freude. Die Freude machte so viele Sprünge, dass sie so den letzten Schritt tat, um den Zweifel zu überzeugen und sogar die Gleichgültigkeit, die sonst an nichts Interesse zeigte, machte mit.

Alle akzeptierten, außer der Faulheit, die sich nicht vom Fleck rühren wollte. Der Stolz meinte, dass es ein dummes Spiel wäre (im Grunde ärgerte er sich nur, dass die Idee nicht von ihm kam) und die Feigheit und die Furcht zogen es beide vor, nichts zu riskieren.

"1, 2, 3, ...", fing der Wahnsinn zu zählen an. Die Eile versteckte sich als erste - irgendwo, irgendwie. Als nächstes die Trägheit, die sich wie immer hinter den ersten Stein fallen ließ.

Die Großzügigkeit schaffte es kaum, sich selber zu verstecken, da sie bei allen Verstecken, die sie fand, glaubte, ein wunderbares Versteck für einen ihrer Freunde gefunden zu haben.

Die Schüchternheit, schüchtern wie üblich, versteckte sich in einer Baumkrone. Die Lüge versteckte sich auf dem Meeresgrund (stimmt nicht, in Wirklichkeit verstecke sie sich hinter dem Regenbogen).

Die Leidenschaft und das Verlangen im Zentrum der Vulkane.
Die Vergesslichkeit... ich habe vergessen, wo sie sich versteckte, aber das ist auch nicht so wichtig.

Die Freude rannte glückseelig durch den Garten. Die Traurigkeit fing zu weinen an, da sie keinen richtigen Platz zum Verstecken fand.
Der Neid ging mit dem Triumph und versteckte sich ganz nahe bei ihm hinter einem Felsen.

Der Wahnsinn zählte immer weiter, während seine Freunde sich versteckten. Die Verzweiflung war verzweifelt, als sie feststellte, dass der Wahnsinn schon bei 99 angekommen war. "HUNDERT!", rief der Wahnsinn. "Ich fange jetzt an zu suchen!"

Die Erste, die gefunden wurde, war die Neugier, denn sie konnte es sich nicht verkneifen, aus ihrem Versteck zu kommen, um zu sehen, wer als erstes geschnappt würde.

Dann hörte er den Glauben, der im Himmel mit Gott über Theologie diskutierte. Als sich der Wahnsinn etwas umsah, entdeckte er die Trägheit, nur drei Schritte vom ersten Stein entfernt.
Das Verlangen und die Leidenschaft hörte man im Vulkan vibrieren.

In einem unachtsamen Moment fand er den Neid und so natürlich auch den Triumph. Mit dem Zweifel war es noch einfacher, ihn entdeckte er auf einer Mauer sitzend, weil er sich nicht entscheiden konnte, ob es besser sei, sich davor oder dahinter zu verstecken.

So fand er einen nach dem andern: Er entdeckte die Freude, die Traurigkeit, die Schüchternheit , die Gleichgültigkeit... Als sie wieder alle beisammen waren, fragte die Neugier: "Wo ist denn die Liebe?" Niemand hatte sie gesehen.

Der Wahnsinn fing an sie zu suchen. Er suchte in den Bergen, Flüssen und unter den Felsen - ohne Erfolg und als er schon aufgeben wollte, erblickte er einen Rosenbusch.

Mit Hilfe eines Holzstöckchens fing er an, zwischen den Zweigen auf die Suche zu gehen - da hörte er plötzlich einen Schrei. Es war die Liebe. Der Wahnsinn hatte ihr mit seinem Stock die Augen ausgestochen. Hilflos wusste er nicht, wie er seine Tat wieder gutmachen konnte.

Er bat um Verzeihung, flehte um Vergebung und versprach der Liebe, für immer ihre Sehkraft zu werden. Die Liebe akzeptierte die Entschuldigung.

Seit dieser Zeit ist die Liebe blind und wird ständig vom Wahnsinn begleitet.

Autor: Volksgemeinschaftliche Metamorphose unbekannter Herkunft

Montag, 1. Juli 2013

Odaiba

I wonder how it feels like to get just one single shot of total happiness.
Would it be worth it? Or would I then be even more aware of the insignificance of life?

Samstag, 25. Mai 2013

Tokyo

Du bist kurz davor, dich aufzugeben
Durch geträumte Straßen wie gefallener Regen
(Selig)


Verlieren wir uns in der Masse der Menschen und der verrottenden Welt um uns herum. Auf absurde Weise lieben wir sie noch immer. Schmerzlich vertraute, vermisste Stadt. Wir wandern durch die überfüllten Schluchten zwischen erdrückenden Gebäudekomplexen, kreuzen Ampeln, die selbst an solchen Straßen stehen, die man mit einem einzigen Schritt überqueren könnte, stolpern so leicht über die endlosen Blindenzeichen auf den Fußwegen. Wir betreten Geschäfte, die ununterbrochen geöffnet sind, in denen wir routiniert bereits am Eingang begrüßt werden, hören zu, wie man sich dafür bedankt, dass wir das Geschäft besuchen, wie unsere Einkäufe aufgezählt, jeder einzelne Preis genannt und zusammengerechnet wird, was wir bezahlen, was wir zurückerhalten. Ein unaufhörlicher, einstudierter Redeschwall, der uns permanent umgibt, die ständige distanzierte Höflichkeit, das Verbeugen, das Entschuldigen, das Bitten. Diese ganzen Floskeln hüllen uns irgendwann so ein, dass wir gar nicht mehr registrieren, welchen Menschen wir gegenüberstehen und wem dieses automatisierte Verhalten überhaupt noch gilt. Wir lassen uns davon einhüllen, beruhigen und betäuben. Wir wenden uns ab und verlassen einander. Doch wohin gehen wir? Wohin?

Samstag, 4. Mai 2013

Kaiser-Kennedy-Legende

Für leichtgläubige Menschen weise ich lieber gleich zu Anfang darauf hin, dass man den folgenden Beitrag von Leszek Kolakowski nicht so ernst nehmen sollte. Wahrscheinlich ist er nur für Historiker amüsant, für angehende Historiker womöglich sogar lehrreich.


Die Kaiser-Kennedy-Legende: eine neue anthropologische Debatte

Die 6684. jährliche Zusammenkunft der Akademie der Wissenschaften löste eine hitzige Kontroverse aus. Der Hauptvortrag der Tagung war der kaum bekannten Legende eines Kaisers namens Kennedy gewidmet, der in der fernen Vergangenheit vGK (vor der Großen Katastrophe) zwei riesige Länder beherrscht haben soll. Dr. Rama, der Verfasser des Vortrags, verglich und analysierte alle verfügbaren Quellen äußerst gewissenhaft. Dies ist allerdings keine umfassende Sammlung, gemessen etwa an der Materialmenge, die wir über einen anderen Herrscher, Alfonse XIII., besitzen, der ein anderes Land namens Espagna einige Zeit früher oder später regiert haben soll. Aber Dr. Rama wies nach, dass sich aus den bestehenden Quellen mehr ableiten lässt, als die Gelehrten für möglich hielten. Bekanntlich waren nach der Großen Katastrophe, die sich in den Jahren 0-72 (angenähert) abspielte, als etwa zwei Drittel des bewohnbaren Landes von Wasser überschwemmt und die übrigen Teile von gewaltigen Explosionen unbekannter Herkunft fast völlig zerstört wurden, nur acht Bücher aus der vorhergehenden Periode unversehrt erhalten geblieben. Es sind:

John Williams Creative Gardening, Omaha, Nebraska (ob es sich bei Omaha, Nebraska um eine oder zwei Personen handelt, ist noch umstritten)
Alice Besson La vie d’une idiote racontée pas elle-même, Roman (Das Buch scheint in einem Land oder einer Gegend namens Gallimard gedruckt worden zu sein)
Laszlo Warga Bridge for Beginners, aus dem Ungarischen übersetzt von Peter Harsch, Llandutno 1966
Dirk Hoegeveldt De Arte Divinatoria Romanorum, Lukdini Bat 1657
Annurario telefonica di Ferrara
Arno Miller Neue Tendenzen in amerikanischen Sozialwissenschaften, Hoser Verlag, Erlangen 1979
Dinah Elberg All my Lovers

Wir haben das achte Buch ausgelassen, da es – abgesehen von dem geheimnisvollen Wort Nagoya, das von der zweiten bis zur letzten Seite auftauchte – einen völlig unbekannten Schrifttyp aufwies; den besten Experten zufolge war Nagoya wahrscheinlich eine Zauberformel, welche die besten Geister aus einem fremden Land verscheuchen sollte. Übrigens ist keines der Bücher bis jetzt ganz entschlüsselt worden. Aber einige kleinere oder größere Bruchstücke existieren nun in befriedigenden Übersetzungen. Man braucht nicht zu erwähnen, dass die Ziffern in den Büchern sich vermutlich auf Jahreszahlen beziehen: Da wir jedoch nichts über die Methode und den Beginn der Zeitrechnung in der vGK-Ära wissen, ist es unmöglich, die Ereignisse korrekt zu datieren. Zudem wissen wir nicht, ob man die Jahre vorwärts oder rückwärts zählte. Viele Wissenschaftler meinen, es sei nicht ausgeschlossen, dass man die Jahre durch eine Zahl kennzeichnete, die dem bis zur Großen Katastrophe noch bevorstehenden Zeitraum entsprach, wodurch das Jahr 1657 z.B. dreihundert Jahre später – nicht früher – als das Jahr 1957 stattfand.
Die Kaiser-Kennedy-Legende wird nur in einem der gerade aufgeführten Bücher erwähnt, was einige Gelehrte zu der These veranlasste, dass sie unter den Wilden nicht weit verbreitet war, oder als unwichtig galt. Aber die Legende erscheint mehrere Male in fast zwei Dutzend fragmentarisch erhaltenen Büchern sowie in mehr als 220 Zeitschriften, die bis jetzt geborgen worden sind – dreizehn von ihnen fast unversehrt (darunter Chemical Engineering, Trybuna Ludo, Crosswords for Children – das nahezu unverständlich ist – Il Messaggero und Vuelta). Dr. Rama hat das gesamte Material gründlich untersucht, und liefert die erste zusammenhängende Interpretation. Die Hauptkomponenten sind seinen Forschungen gemäß folgende:
1. Präsident (ein Titel von obskurer Herkunft, offenbar gleichbedeutend mit Kaiser) Kennedy beherrschte gleichzeitig zwei große Länder, die Amerika und USA hießen.
2. Er stammte von einer legendären Insel namens Irland im hohen Norden. Ob diese Insel identisch ist mit einer anderen namens Island, die in einer weiteren Quelle erwähnt wird, bleibt vorläufig noch ungeklärt. Vielleicht wurden durch einen Druckfehler zwei Länder aus einem gemacht.
3. Er war reich.
4. Er kämpfte gegen die Herrschaft dreier anderer Königreiche namens Russland, Sowjetunion und Kuba. Anscheinend besiegte es sie, wurde dann aber seinerseits in einer Schlacht besiegt, die in der Schweinebucht stattfand. Trotzdem blieb er weiterhin der Kaiser jener beiden Länder.
5. Eines der feindlichen Länder namens Berlin (fast mit Sicherheit ein anderer Name für Russland) baute eine gewaltige Mauer, um die Armee des Kaisers am Einmarsch zu hindern. Aber der Kaiser verkündete von ebendieser Mauer mutige Schmähungen gegen die Feinde.
6. Er hatte zwei Brüder. Der ältere wurde vor und der jüngere nach dem Tode des Kaisers ermordet.
7. Der Kaiser selbst wurde von seinen Feinden verwundet und starb.
8. Seine Witwe Jaqueline heiratete später einen „Millionär“.
Dr. Rama entdeckte eine weitere vordem unbekannte Einzelheit von großer Bedeutung. Auf einer halben Seite, die von der Zeitschrift Ici Paris überkommen ist, wird der Kaiser als „un grand cureur des jupes“ bezeichnet. Die einzig plausible Übersetzung dieser Wendung besagt, dass er häufig in Röcken herumlief. Da dokumentiert ist, dass Röcke ausschließlich weibliche Kleidungsstücke waren, scheint offensichtlich, dass der Kaiser eine androgyne Gestalt – mit männlichen wie weiblichen Eigenarten – verkörperte. Dr. Rama korrigierte auch die falsche Interpretation des Wortes „Millionär“, das bis vor kurzem unkritisch als „reicher Mann“ übersetzt wurde. Er fand eine bisher vernachlässigte Bemerkung in einem Fragment des Miami Star, in dem es heißt: „Was ist heutzutage schon eine Million? Kaum mehr als eine Handvoll Erdnüsse.“ Da die Erdnuss eine sehr kleine Nuss war, ist ein Millionär keineswegs ein reicher, sondern ein armer Mann, der kaum etwas sein Eigen nennt, nur ein paar Erdnüsse. Dies fügt sich gut in Dr. Ramas Interpretation ein.
Dr. Rama ist, wie es der Zufall will, ein Schüler des berühmten Gelehrten Levi Strauss, der spezielle Hosen für spezielle Hosen für männliche wie weibliche Menschen herstellt und deshalb argumentiert, alles lasse sich als eine aus Gegensatzpaaren bestehende Struktur betrachten, sodass jeder Begriff eines Paares ohne den anderen bedeutungslos sei. Wenn man z. B. ein Hosenbein abschneide, sei das andere bedeutungslos. Dr. Rama bedient sich dieses hermeneutischen Verfahrens und bietet die folgende Interpretation der Legende an:
Der Mythos von Kaiser Kennedy war ein Versuch, grundlegende unversöhnliche Widersprüche menschlichen Lebens in der mythologischen Vorstellung in Einklang zu bringen. Da ist zuerst der Gegensatz von Träumen und Realität. In einer Quelle wird Amerika – eines der beiden Länder, die er regierte – der „Traum der Menschheit“ genannt, während in einer anderen Quelle von der „brutalen Realität der USA“ die Rede ist, was eindeutig zeit, dass die „USA“ als real galten. Damit vereinigte sich Traum und Realität in der Person Kennedys. Zweitens haben wir es mit dem Gegensatz von Nord und Süd zu tun. Er kam aus dem Norden, aber er regierte den Süden, wie aus einem Fragment hervorgeht, in dem unzweideutig erklärt wird, dass der „Süden im Bann von Kennedys Magie“ ist. Da der Süden in dieser Periode heiß und der Norden kalt war – beides unangenehme Zustände, wenn auch aus verschiedenen Gründen – erwartete man offenbar, dass die Gestalt des Kaisers die Nachteile sowohl des Nordens wie des Südens auf magische Weise beseitigen könne.
Wissenschaftler haben sich viele Gedanken gemacht, um den mythologischen Sinn der Kriege zu erklären, die der Kaiser ausfocht, aber auch in diesem Punkt hat Dr. Rama eine kluge Interpretation gefunden. Wir erinnern uns, dass der Kaiser männliche wie weibliche Eigenschaften verkörperte. Anscheinend ermutigte er seine Untertanen, Männer zu werden (laut dem gerade zitierten Ici Paris machte er viele Leute zu „cocus“, das heißt du „coqs“, Hähnen). In den meisten Mythologien ist der Hahn ein Phallussymbol, aber Kennedys Niederlage wurde ihm, wie erwähnt, von Schweinen zugefügt, und Schweine waren ebenfalls ein Männlichkeitssymbol („diese männlichen Chauvinistenschweine“, lesen wir in einem Fragment der Broschüre „Das unsägliche Märtyrertum amerikanischer Frauen“). Auf diese Weise bildet sich eine komplizierte männlich-weibliche Dialektik aus der Legende heraus: Die männlich-weibliche Gestalt bringt Männer hervor, wird von Männern besiegt und letztlich ermordet, mutmaßlich von einer Frau oder auf Befehl einer Frau. Die letztgenannte Tatsache wurde durch den Vergleich von zwei Quellen nachgewiesen: Auf einer von mehreren Seiten, die von einem Büchlein mit dem Titel „Wahre Fakten über die Sowjetunion“ erhalten sind, lesen wir, dass „das Glück sowjetischer Frauen unbeschreiblich“ ist, während in einer anderen Quelle – der Seite einer Zeitung mit dem rätselhaften Namen „The Times“ – vom „tiefsten Elend sowjetischer Männer“ gesprochen wird. So erkennen wir, dass zumindest in einem der wichtigsten Feindesländer die Frauen glücklich und die Männer unglücklich waren, was darauf hindeutet, dass dieses Land eine Art Gynekokratie war.
Wir schließen mithin, dass der Versuch des Kaisers, den männlich-weiblichen Gegensatz zu überwinden, von beiden Seiten – männlich wie weiblich – angegriffen wurde und mit der Katastrophe endet. Die Legende soll beweisen, dass die männlich-weibliche Synthese unmöglich ist.
Das letzte Gegensatzpaar, auf dem die Legende aufbaut, ist das der Begriffe „reich“ und „arm“. Der Kaiser war reich, aber wie es in einem Beleg heißt, „ein Streiter für die Armen“. Offenbar symbolisierte er den Versuch, den linguistischen Kontrast zwischen Wohlstand und Armut aufzuheben. Die Tatsache, dass er besiegt wurde, und seine Gattin (als Frau eines „Millionärs“) verarmte, ist der Beweis dafür, dass sein Bemühen scheiterte, diese beiden gegensätzlichen Begriffe in Einklang zu bringen.
Die tiefe pessimistische Bedeutung des Mythos ist: die grundlegenden Widersprüche des menschlichen Lebens könne nicht beseitigt werden – jeder Versuch, zwischen ihnen Harmonie herzustellen, ist nichtig.
Dr. Ramas Interpretation erhielt zwar von vielen Wissenschaftlern Applaus, wurde aber keineswegs von allen akzeptiert. Die stärkste Attacke führte Dr. Gama, ein Anhänger des berühmten Dr. Sigmund Fraud, der eine weitere (sogenannte analo-psychische) Schule der Hermeneutik begründete. Dr. Gama stellte praktisch alle Einzelheiten von Dr. Ramas Interpretationen und den gesamten Überbau von Herrn Levi-Strauss‘ Hosen-Doktrin in Frage. Dr. Frauds Theorie besagt, die Menschen wünschten nichts anderes als sich dauernd zu paaren, aber um zu überleben, nötigten sie einander auch andere Dinge zu tun, was sie unglücklich mache: infolge dieser Unglückseligkeit schrieben manche Menschen Gedichte, andere begingen Selbstmord, wieder andere würden führende Politiker etc. „Ich gebe zu“, sagte Dr. Gama, „dass Dr. Rama einige interessante Tatsachen gefunden hat, die ein neues Licht auf die Legende werfen. Aber seine phantastische Interpretation ist völlig unhaltbar. Neue Fakten bestätigen wiederum, dass nur fraudsche Theorie einen Schlüssel zu der Geschichte liefern kann. Ihre wahre Bedeutung ist für jeden unvoreingenommenen Geist offenkundig. Das Schwein, weit davon entfernt ein Männlichkeitssymbol darzustellen, stand für einen weibischen Mann, einen Castrato: Wie man weiß kastrierte man damals männliche Schweine,die später zur Ernährung verwendet wurden.
Die Wendung „diese männlichen Chauvinistenschweine“ unterstützt Dr.Ramas Spekulation keineswegs, sondern passt sich nahtlos in die Fraudsche Doktrin ein. Gewiss, wir haben es mit einer Beschimpfung zu tun, aber sie bezieht sich auf kastrierte Männer, die also keine Nachkommenschaft hervorbringen können. Das Wort Chauvinist ist noch nicht hinreichend erklärt, aber höchstwahrscheinlich ist es mit „chauve“, das heißt kahl oder haarlos, verwandt. UndKahlheit war ein weiteres Zeichen von Entmannung, während Haare männliche Tüchtigkeit versinnbildlichten. Damit ist die Interpretation klar: der Kaiser wurde im Land der „Castrati“ („Schweine“) besiegt und musste mit Röcken bekleidet fliehen – nicht, weil er eine androgyne Gestalt war, wie Dr.Rama behauptet, sondern weil er unzweifelhaft halb männlich war; mit anderen Worten, er dürfte nahezu mit Sicherheit kastriert gewesen sein. Tatsächlich versuchte er anderen Männern – die vermutlich ebenso kastriert waren wie er selbst – ihre Männlichkeit zurückzugeben. Aber er scheiterte. Wenn die Frauen in einem der Feindesländer glücklich und die Männer unglücklich waren, so wahrscheinlich deshalb, weil man die Männer in diesem mythologischen Land kastriert hatte. Nachdem die Frauen den Gegenstand ihres Neides beseitigt hatten, waren sie glücklich. Welche Erklärung könnte plausibler sein? Folglich ist die Legende ein Ausdruck, der universellen menschlichen Kastrationsangst und das Scheitern des Kaisers symbolisiert den Umstand, dass Kastration unumkehrbar ist. Die Theorie von Dr.Fraud hat sich wieder einmal bestätigt.
Dies war jedoch nicht das Ende der Tagung. Ein anderer Wissenschaftler, Dr.Ngama, griff beide vorangegangenen Interpretationen an. Prof.Ngama ist ein Schüler des großen Dr.Calamarx: die Theorie des letzteren besagt, dass es reiche und arme Menschen gibt, die gegeneinander kämpfen und im Laufe ihrer Auseinandersetzung verschiedene Mythologien erfinden; Die Mythologien der Reichen sollten alle überzeugen, dass die Reichen reich und die Armen arm zu bleiben hätten, während die Mythologien der Armen das Gegenteil beabsichtigen. In der Zukunft – bewies Dr.Calamarx – würden die Armen alle Reichen umbringen und danach würden alle Menschen sehr, sehr glücklich sein. Prof.Ngama erläuterte: „Jedem, der bei klarem Verstand ist, sollte deutlich sein, dass, wissenschaftlich gesprochen, die beiden bei dieser Konferenz vorgelegten Theorien nicht nur falsch, sondern auch reaktionär sind. Dr.Ramas Pseudotheorie läuft auf die Behauptung hinaus, die angeblichen „Strukturen“, die er sich ausgedacht hat, seien unveränderlich – mit anderen Worten, reiche Menschen würden stets reich und arme Menschen stets arm sein. Was Dr.Gamas Theorie betriftt, so verkündet sie, dass arme Menschen, statt gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen, sich nur sorgen um den möglichen Verlust ihres sexuellen Vermögens machen sollten.
Dabei liegt die wahre Bedeutung der Legende auf der Hand. Das der reiche Kaiser selbst reich war, ist nebensächlich für die Geschichte, da alle Kaiser der Vergangenheit reich waren – nur in dem universellen Glückszustand der Zukunft werden die Kaiser arm sein. Relevant ist, dass der Kaiser ein Streiter für die „Armen“ war, wie sogar meine Gegner einräumen mussten. Daraus lässt sich schließen, dass seine Feinde Streiter für die Reichen waren, denn alle Kämpfe sind letztendlich auf den Konflikt zwischen reich und arm zurückzuführen. Alle bekannten Elemente des Mythos untermauern diese Interpretation. Der Kaiser wurde von Schweinen besiegt, doch Schweine – die keineswegs dieses oder jenes sexuelle Symbol darstellten, wie die Theorien meiner Gegner „zeigen“ sollen – waren symbolische Bilder des Reichtums. Beide Sprecher zogen es vor, ein Flugblatt, unterzeichnet von der „Absoluten Revolutionären Unbesiegbaren Weltbefreiungsbewegung der Rackernden Massen“ – außer acht zu lassen, in dem es eindeutig heißt: „Bringt die reichen Schweine um!“ Dieser edle Kaiser, ein Streiter für die Armen, wurde heimtückisch von seinen Feinden ermordet, aber Dr. Rama selbst wies nach, dass seine Witwe später einen armen Mann heiratete. Die Botschaft der Legende ist also folgende: ein großer Kämpfer für die Sache der Armen ist getötet worden, aber das Ringen geht weiter. Die Legende gehört unbestreitbar zu der Folklore armer Menschen, und die Richtigkeit von Dr. Calamarx‘ unüberwindlicher Theorie ist wieder einmal unterstrichen worden.
Mit drei widersprüchlichen Theorien konfrontiert, musste die Akademie die Wahrheit – wie üblich – durch Abstimmung finden. Nach vier Wahlgängen, die keine klare Mehrheit erbrachten, entschieden die meisten Mitglieder sich im fünften Wahlgang für Dr. Gamas Erklärung, womit die Wahrheit von Dr. Siegmund Frauds Theorie endgültig und wissenschaftlich festgestellt war. Dr. Gama frohlockte, während die beiden besiegten Gelehrten, deren Irrtümer nun bloßgestellt waren, bitterlich weinten. Wer eine falsche antropologische Theorie verteidigt, kann mit dem Tode bestraft werden.

Leszek Kolakowski

Donnerstag, 11. April 2013

Bloß verschwommen

Vorlage für den Einzelteil
Intus

Mein Sichtfeld verschwimmt. Die Flecken auf meiner Camouflagehose scheinen über meine Beine zu wandern. Überall finde ich Halt an Wänden und Türrahmen. Ich gehe weiter, nachdem ich mich bedankt habe. Besser als gar keine Kommunikation. Meine Gliedmaßen sind schwer wie Blei und die Bilder vor meinen Augen werden meinen Blicken hinterhergeschleift. Ich beobachte die Tapete, die an den Wänden herunterfließt. Die Regale und Poster wirbeln herum und ich fühle mich ruhiger und ausgeglichen. Endlich fühle ich mich nicht mehr so, als würde es wehtun.

Donnerstag, 3. Januar 2013

Silent Hill: Revelation 3D

Beinahe hatte ich schon nicht mehr damit gerechnet, dass der zweite Film zu meiner Lieblingsspielserie überhaupt erscheinen würde, vergingen doch schon mehrere Jahre, seitdem der erste Film in den Kinos lief, an dessen Veröffentlichung ich damals übrigens genauso wenig geglaubt habe. Am 28. November ging ich schließlich zum Pre-Release im Elbe Park Dresden.
Alle Leser, die den Film noch nicht gesehen haben, sollten sich meinen Beitrag hier jetzt besser nicht durchlesen: er wird sehr viele Spoiler enthalten. Außerdem werde ich dabei, wie das für mich so üblich ist, in alle möglichen anderen Richtungen abschweifen. Seid also gewarnt.

Bevor ich mich aber in Ausschweifungen ergehe und Kritik äußere, lege ich mich gleich zu Beginn fest, dass ich Silent Hill Revelation für das, was es ist, sehr gut finde. Immerhin verfolge ich die Spielereihe seit dem zweiten Teil. (Das PS1-Spiel habe ich mir erst danach geholt, als ich mit dem Erscheinen der PS2 überhaupt erst auf Silent Hill aufmerksam wurde.) Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Revelation nichts für diejenigen ist, die einfach nur einen guten Horrorfilm schauen wollen und von den Spielen wenig Ahnung haben. Und Fans der Resident-Evil-Filme werden im Großteil wahrscheinlich den zweiten Silent-Hill-Film lächerlich finden, falls sie denn überhaupt etwas mit dem ersten anfangen konnten. Aber machen wir uns nichts vor: es gibt nun mal eine stark ausgeprägte Fraktionsbildung zwischen Resident Evil und Silent Hill. Wer das eine mag, wird häufig das andere kleinreden. Zumindest konnte ich das sehr oft beobachten. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.

Zurück zum Film:
Er schließt gut an den ersten Teil an und ist als Videospielverfilmung ohnehin genial, wenn man mal bedenkt, was sonst so für Schrott zu Spielen gedreht wurde. (Alone in the Dark...)
Schon vor dem Schauen habe ich mich gefragt, wer dieses Mal für die Musik verantwortlich sein würde. Denn schließlich hatte ich über Akira Yamaoka, dem Silent Hill meiner Meinung nach mindestens 70 % seiner Atmosphäre zu verdanken hat, gelesen, dass er sich davon distanzieren wolle. (In Downpour hat Daniel Licht bewiesen, dass es trotzdem noch Mittel und Wege gibt, ein Silent Hill auch ohne Yamaoka zu erschaffen. Natürlich fehlt es der sehr dezenten musikalischen Untermalung von Licht an Genialität, aber durch die Idee der Radios konnte diese Zurückhaltung perfekt kompensiert werden.) In Revelation erübrigt sich diese Frage nach kurzer Zeit: die Filmmusik besteht meines Erachtens vollständig aus einem Zusammenschnitt der Spiel-OSTs. Zumindest kam mir kein einziger Song unbekannt vor und wenn, dann wurde nur minimal etwas hinzugefügt. Das ist keineswegs als Kritik gemeint. Es soll nur heißen, dass Yamaoka im Grunde auch für die Musik von Revelation verantwortlich ist, dass es aber nichts Neues zu hören gibt.
Die 3D-Animation ist ganz nett, wobei ich allerdings auch darauf verzichten kann. Es passte gut zu Silent Hill, wirkte auf mich aber lediglich dann beeindruckend, wenn weite Flächen zu sehen waren oder lange düstere Gänge.

Die schauspielerische Besetzung der Eltern von Heather/Cheryl/Sharon wurde glücklicherweise vom ersten Teil übernommen, obwohl ich es echt schade finde, dass Sean Bean als Harry Mason viel zu kurz kommt. Ich mag ihn in dieser Rolle nämlich sehr. Desweiteren ist mir nach wie vor rätselhaft, warum die Namen im ersten Teil geändert wurden. Sharon ist nicht weit entfernt von Cheryl. Warum wurde der Name trotzdem geändert? Soll das ein versteckter Hinweis auf Charon, den Fährmann der Unterwelt sein? Oder Christopher an Stelle von Harry. Dieser Umstand wurde im zweiten Film zwar ganz gut gelöst, indem Harry und Heather darüber sprechen, dass sie ihre Namen häufig ändern mussten, um dem Orden zu entgehen, aber dieses Easter Egg war mir ein bisschen zu viel. Da wurden ja zahlreiche Namen aus anderen Spielen der Reihe genannt und das wirkte auf mich ein wenig konstruiert, als wollte man überall noch etwas hineinquetschen. Bei solchen versteckten Hinweisen ist es jedoch immer schwierig, den Nerv der Fans zu treffen. Die einen freuen sich ein zweites Loch in den Po, den anderen ist es zu offensichtlich und unnötig. Also soll auch das keine Kritik sein, sondern nur mein persönliches Empfinden.

Noch einmal zum ersten Film: Ich fand die Erklärung, weshalb man eine Frau vorgezogen habe, ein wenig fadenscheinig. Es fühle sich laut Interview "echter" und "passender" an? Meiner Meinung nach wollte man vermutlich nur an die vielen anderen Horrorfilme anschließen, in denen eine Mutter verzweifelt nach ihrem Kind sucht. Ich frage mich manchmal, ob man da vielleicht vor der Darstellung eines liebevollen Vaters zurückschreckt. Dennoch ist die Lösung und vor allem das Ende des ersten Films hierdurch sehr gut geworden. Indem nicht Harry mit der Wiedergeburt seines Kindes aus der Stadt flieht, sondern seine Frau ihm das Kind übergibt und selbst zurückbleibt, wurde ein wenig jenes Ende des ersten Spiels aufgegriffen, bei dem Harry kurz nach dem Unfall offenbar tot mit dem Kopf auf dem Lenkrad seines Wagens zu sehen ist. So zumindest kam es mir vor.
Nun zu der Besetzung von Heather. Die Schauspielerin sieht eigentlich ganz nett aus, auch wenn ihr die Sommersprossen fehlen und ihr Schauspieltalent einen nicht gerade umhaut. Es ist gut, dass sie nicht ständig rumschreit, wie das bei vielen (besonders amerikanischen) Horrorfilmen oft der Fall ist. Allerdings hätte ich sie mir frecher gewünscht. Die Ansprache in der Schule wirkte auf mich ein bisschen pseudocool. Ohnehin hätte der Anfang mit der Schule und allem ein wenig kürzer sein können. Was Heathers Charakterzeichnung anbelangt, ist das ein Mangel des Drehbuchs, finde ich, weil es ihren Texten über den ganzen Film an Biss fehlt.
Claudia gefiel mir sehr gut. Ich hätte nicht gedacht, dass Trinity aus Matrix so gut zu dieser Rolle passen würde. Carrie-Anne Moss heißt die Schauspielerin. Zumindest glaube ich, dass sie es war. Wirklich schockiert war ich aber darüber, was aus Vincent geworden ist. Kann man den Typen überhaupt noch mit Vincent vergleichen? Immerhin hat er mit ihm ja nur den Namen gemeinsam. Die Liebesschnulze zwischen Heather und ihm fand ich jedenfalls völlig unnötig und unpassend. Warum kommen die meisten Filme nicht ohne aus? Die beiden lernen sich eben erst kennen und schon verlieben sie sich ineinander, wie bei Romeo und Julia. Und im Gegenzug musste Douglas dran glauben, denn dessen Rolle war ja wohl ein Witz. Kaum tauchte er auf, war er auch schon wieder tot. Dabei mag ich Douglas eigentlich sehr, auch wenn (oder gerade weil?) sein Englisch im Spiel nicht gerade von Niveau zeugt. Stattdessen verlässt Heather zum Schluss mit Vincent die Stadt. Dieses Ende und was insgesamt aus Vincent und Douglas geworden ist, das fand ich wirklich ein wenig blöd und schnulzig.
Zu diesen kleinen Irritationen meines ästhetischen Empfindens zählt wohl auch die Rolle des Pyramidenkopfes, Alessas neuem "Beschützer". Der hilft jetzt offenbar auf dem Jahrmarkt aus und dreht dort die Karussells und so. Na ja, ich bin ja auch der Meinung, dass er mittlerweile symbolisch für Silent Hill steht, obwohl er ausschließlich im zweiten Teil eine sinnvolle Funktion einnimmt. (Seinen peinlichen Gastauftritt im fünften Teil übergehen wir mal schweigend.)

Was gibt es sonst noch zu sagen? Die ganze Zeit während des Films habe ich erwartet, dass Harry gleich stirbt. Ich habe damit ganz fest gerechnet, als Heather nach Hause kommt und die Verwüstung vorfindet. Als es hieß, ihr Vater sei entführt worden, nahm ich an, man würde seinen Tod hinauszögern, um eine besonders rührselige Szene in Silent Hill zu gestalten. Doch am Ende des Films lebte er immer noch. Ich bin mir jetzt auch noch nicht sicher, wie ich das finden soll. Dass er in der Stadt bleibt, um nach seiner Frau zu suchen, wirkte wie ein Verweis auf den zweiten Spielteil, wobei ich mich natürlich frage, wie sie die komplexe Geschichte von James umsetzen wollen, wenn das der Aufhänger zum nächsten Film sein soll. Allerdings, wir erinnern uns, war im ersten Spiel Harrys Frau ebenfalls ein paar Jahre zuvor, bevor er mit Cheryl nach Silent Hill fährt, an einer langwährenden Krankheit gestorben, also im Grunde genommen die gleiche Voraussetzung wie bei James. Dieser Erzählstrang fehlt jedoch im Film völlig, weshalb eine Rettungsaktion dem Anschein nach kaum in einer psychologischen Fallstudie enden dürfte. Dennoch wäre es, wenn man die Geschichten von Laura, Angela und Eddie hinzunimmt, eine gute Möglichkeit, mit einem dritten Film eine runde Sache aus der ganzen Filmstory zu machen.
Ein weiteres Easter Egg am Ende des Films, nämlich das Erscheinen von Travis, hat mich schon schmunzeln lassen, als der LKW angefahren kam. Das hat also genauso gut funktioniert wie der Gefangenentransport von Murphy in den letzten Sekunden, was wiederum eine weitere Möglichkeit sein könnte, einen nächsten Film anzuschließen.

Das waren soweit meine Eindrücke zu Revelation. Nun bin ich mir nicht sicher, ob meine Rezension nicht eher kritisch als euphorisch klang, aber man redet halt meist mehr über das, was einen stört. Ich war von einigen abgewandelten Spielzitaten angetan. Auch die Krankenschwestern mochte ich mal wieder sehr. Und ich war erstaunt, was für eine lange Filmszene man aus so einem kleinen Raum mit Schaufensterpuppen im dritten Spiel machen kann.
Alles in allem hatte ich das Gefühl, dass die Macher mit Silent Hill Revelation durchaus eine Liebe zur Spielreihe ausdrückten.