Für leichtgläubige Menschen weise ich lieber gleich zu Anfang darauf
hin, dass man den folgenden Beitrag von Leszek Kolakowski nicht so ernst
nehmen sollte. Wahrscheinlich ist er nur für Historiker amüsant, für
angehende Historiker womöglich sogar lehrreich.
Die Kaiser-Kennedy-Legende: eine neue anthropologische Debatte
Die
6684. jährliche Zusammenkunft der Akademie der Wissenschaften löste
eine hitzige Kontroverse aus. Der Hauptvortrag der Tagung war der kaum
bekannten Legende eines Kaisers namens Kennedy gewidmet, der in der
fernen Vergangenheit vGK (vor der Großen Katastrophe) zwei riesige
Länder beherrscht haben soll. Dr. Rama, der Verfasser des Vortrags,
verglich und analysierte alle verfügbaren Quellen äußerst gewissenhaft.
Dies ist allerdings keine umfassende Sammlung, gemessen etwa an der
Materialmenge, die wir über einen anderen Herrscher, Alfonse XIII.,
besitzen, der ein anderes Land namens Espagna einige Zeit früher oder
später regiert haben soll. Aber Dr. Rama wies nach, dass sich aus den
bestehenden Quellen mehr ableiten lässt, als die Gelehrten für möglich
hielten. Bekanntlich waren nach der Großen Katastrophe, die sich in den
Jahren 0-72 (angenähert) abspielte, als etwa zwei Drittel des
bewohnbaren Landes von Wasser überschwemmt und die übrigen Teile von
gewaltigen Explosionen unbekannter Herkunft fast völlig zerstört wurden,
nur acht Bücher aus der vorhergehenden Periode unversehrt erhalten
geblieben. Es sind:
John Williams Creative Gardening, Omaha, Nebraska (ob es sich bei Omaha, Nebraska um eine oder zwei Personen handelt, ist noch umstritten)
Alice Besson La vie d’une idiote racontée pas elle-même, Roman (Das Buch scheint in einem Land oder einer Gegend namens Gallimard gedruckt worden zu sein)
Laszlo Warga Bridge for Beginners, aus dem Ungarischen übersetzt von Peter Harsch, Llandutno 1966
Dirk Hoegeveldt De Arte Divinatoria Romanorum, Lukdini Bat 1657
Annurario telefonica di Ferrara
Arno Miller Neue Tendenzen in amerikanischen Sozialwissenschaften, Hoser Verlag, Erlangen 1979
Dinah Elberg All my Lovers
Wir
haben das achte Buch ausgelassen, da es – abgesehen von dem
geheimnisvollen Wort Nagoya, das von der zweiten bis zur letzten Seite
auftauchte – einen völlig unbekannten Schrifttyp aufwies; den besten
Experten zufolge war Nagoya wahrscheinlich eine Zauberformel, welche die
besten Geister aus einem fremden Land verscheuchen sollte. Übrigens ist
keines der Bücher bis jetzt ganz entschlüsselt worden. Aber einige
kleinere oder größere Bruchstücke existieren nun in befriedigenden
Übersetzungen. Man braucht nicht zu erwähnen, dass die Ziffern in den
Büchern sich vermutlich auf Jahreszahlen beziehen: Da wir jedoch nichts
über die Methode und den Beginn der Zeitrechnung in der vGK-Ära wissen,
ist es unmöglich, die Ereignisse korrekt zu datieren. Zudem wissen wir
nicht, ob man die Jahre vorwärts oder rückwärts zählte. Viele
Wissenschaftler meinen, es sei nicht ausgeschlossen, dass man die Jahre
durch eine Zahl kennzeichnete, die dem bis zur Großen Katastrophe noch
bevorstehenden Zeitraum entsprach, wodurch das Jahr 1657 z.B.
dreihundert Jahre später – nicht früher – als das Jahr 1957 stattfand.
Die
Kaiser-Kennedy-Legende wird nur in einem der gerade aufgeführten Bücher
erwähnt, was einige Gelehrte zu der These veranlasste, dass sie unter
den Wilden nicht weit verbreitet war, oder als unwichtig galt. Aber die
Legende erscheint mehrere Male in fast zwei Dutzend fragmentarisch
erhaltenen Büchern sowie in mehr als 220 Zeitschriften, die bis jetzt
geborgen worden sind – dreizehn von ihnen fast unversehrt (darunter Chemical Engineering, Trybuna Ludo, Crosswords for Children – das nahezu unverständlich ist – Il Messaggero und Vuelta).
Dr. Rama hat das gesamte Material gründlich untersucht, und liefert die
erste zusammenhängende Interpretation. Die Hauptkomponenten sind seinen
Forschungen gemäß folgende:
1. Präsident (ein Titel von obskurer
Herkunft, offenbar gleichbedeutend mit Kaiser) Kennedy beherrschte
gleichzeitig zwei große Länder, die Amerika und USA hießen.
2. Er
stammte von einer legendären Insel namens Irland im hohen Norden. Ob
diese Insel identisch ist mit einer anderen namens Island, die in einer
weiteren Quelle erwähnt wird, bleibt vorläufig noch ungeklärt.
Vielleicht wurden durch einen Druckfehler zwei Länder aus einem gemacht.
3. Er war reich.
4.
Er kämpfte gegen die Herrschaft dreier anderer Königreiche namens
Russland, Sowjetunion und Kuba. Anscheinend besiegte es sie, wurde dann
aber seinerseits in einer Schlacht besiegt, die in der Schweinebucht
stattfand. Trotzdem blieb er weiterhin der Kaiser jener beiden Länder.
5.
Eines der feindlichen Länder namens Berlin (fast mit Sicherheit ein
anderer Name für Russland) baute eine gewaltige Mauer, um die Armee des
Kaisers am Einmarsch zu hindern. Aber der Kaiser verkündete von
ebendieser Mauer mutige Schmähungen gegen die Feinde.
6. Er hatte zwei Brüder. Der ältere wurde vor und der jüngere nach dem Tode des Kaisers ermordet.
7. Der Kaiser selbst wurde von seinen Feinden verwundet und starb.
8. Seine Witwe Jaqueline heiratete später einen „Millionär“.
Dr.
Rama entdeckte eine weitere vordem unbekannte Einzelheit von großer
Bedeutung. Auf einer halben Seite, die von der Zeitschrift Ici Paris
überkommen ist, wird der Kaiser als „un grand cureur des jupes“
bezeichnet. Die einzig plausible Übersetzung dieser Wendung besagt, dass
er häufig in Röcken herumlief. Da dokumentiert ist, dass Röcke
ausschließlich weibliche Kleidungsstücke waren, scheint offensichtlich,
dass der Kaiser eine androgyne Gestalt – mit männlichen wie weiblichen
Eigenarten – verkörperte. Dr. Rama korrigierte auch die falsche
Interpretation des Wortes „Millionär“, das bis vor kurzem unkritisch als
„reicher Mann“ übersetzt wurde. Er fand eine bisher vernachlässigte
Bemerkung in einem Fragment des Miami Star, in dem es heißt: „Was ist
heutzutage schon eine Million? Kaum mehr als eine Handvoll Erdnüsse.“ Da
die Erdnuss eine sehr kleine Nuss war, ist ein Millionär keineswegs ein
reicher, sondern ein armer Mann, der kaum etwas sein Eigen nennt, nur
ein paar Erdnüsse. Dies fügt sich gut in Dr. Ramas Interpretation ein.
Dr.
Rama ist, wie es der Zufall will, ein Schüler des berühmten Gelehrten
Levi Strauss, der spezielle Hosen für spezielle Hosen für männliche wie
weibliche Menschen herstellt und deshalb argumentiert, alles lasse sich
als eine aus Gegensatzpaaren bestehende Struktur betrachten, sodass
jeder Begriff eines Paares ohne den anderen bedeutungslos sei. Wenn man
z. B. ein Hosenbein abschneide, sei das andere bedeutungslos. Dr. Rama
bedient sich dieses hermeneutischen Verfahrens und bietet die folgende
Interpretation der Legende an:
Der Mythos von Kaiser Kennedy war ein
Versuch, grundlegende unversöhnliche Widersprüche menschlichen Lebens in
der mythologischen Vorstellung in Einklang zu bringen. Da ist zuerst
der Gegensatz von Träumen und Realität. In einer Quelle wird Amerika –
eines der beiden Länder, die er regierte – der „Traum der Menschheit“
genannt, während in einer anderen Quelle von der „brutalen Realität der
USA“ die Rede ist, was eindeutig zeit, dass die „USA“ als real galten.
Damit vereinigte sich Traum und Realität in der Person Kennedys.
Zweitens haben wir es mit dem Gegensatz von Nord und Süd zu tun. Er kam
aus dem Norden, aber er regierte den Süden, wie aus einem Fragment
hervorgeht, in dem unzweideutig erklärt wird, dass der „Süden im Bann
von Kennedys Magie“ ist. Da der Süden in dieser Periode heiß und der
Norden kalt war – beides unangenehme Zustände, wenn auch aus
verschiedenen Gründen – erwartete man offenbar, dass die Gestalt des
Kaisers die Nachteile sowohl des Nordens wie des Südens auf magische
Weise beseitigen könne.
Wissenschaftler haben sich viele Gedanken
gemacht, um den mythologischen Sinn der Kriege zu erklären, die der
Kaiser ausfocht, aber auch in diesem Punkt hat Dr. Rama eine kluge
Interpretation gefunden. Wir erinnern uns, dass der Kaiser männliche wie
weibliche Eigenschaften verkörperte. Anscheinend ermutigte er seine
Untertanen, Männer zu werden (laut dem gerade zitierten Ici Paris machte
er viele Leute zu „cocus“, das heißt du „coqs“, Hähnen). In den meisten
Mythologien ist der Hahn ein Phallussymbol, aber Kennedys Niederlage
wurde ihm, wie erwähnt, von Schweinen zugefügt, und Schweine waren
ebenfalls ein Männlichkeitssymbol („diese männlichen
Chauvinistenschweine“, lesen wir in einem Fragment der Broschüre „Das
unsägliche Märtyrertum amerikanischer Frauen“). Auf diese Weise bildet
sich eine komplizierte männlich-weibliche Dialektik aus der Legende
heraus: Die männlich-weibliche Gestalt bringt Männer hervor, wird von
Männern besiegt und letztlich ermordet, mutmaßlich von einer Frau oder
auf Befehl einer Frau. Die letztgenannte Tatsache wurde durch den
Vergleich von zwei Quellen nachgewiesen: Auf einer von mehreren Seiten,
die von einem Büchlein mit dem Titel „Wahre Fakten über die Sowjetunion“
erhalten sind, lesen wir, dass „das Glück sowjetischer Frauen
unbeschreiblich“ ist, während in einer anderen Quelle – der Seite einer
Zeitung mit dem rätselhaften Namen „The Times“ – vom „tiefsten Elend
sowjetischer Männer“ gesprochen wird. So erkennen wir, dass zumindest in
einem der wichtigsten Feindesländer die Frauen glücklich und die Männer
unglücklich waren, was darauf hindeutet, dass dieses Land eine Art
Gynekokratie war.
Wir schließen mithin, dass der Versuch des Kaisers,
den männlich-weiblichen Gegensatz zu überwinden, von beiden Seiten –
männlich wie weiblich – angegriffen wurde und mit der Katastrophe endet.
Die Legende soll beweisen, dass die männlich-weibliche Synthese
unmöglich ist.
Das letzte Gegensatzpaar, auf dem die Legende aufbaut,
ist das der Begriffe „reich“ und „arm“. Der Kaiser war reich, aber wie
es in einem Beleg heißt, „ein Streiter für die Armen“. Offenbar
symbolisierte er den Versuch, den linguistischen Kontrast zwischen
Wohlstand und Armut aufzuheben. Die Tatsache, dass er besiegt wurde, und
seine Gattin (als Frau eines „Millionärs“) verarmte, ist der Beweis
dafür, dass sein Bemühen scheiterte, diese beiden gegensätzlichen
Begriffe in Einklang zu bringen.
Die tiefe pessimistische Bedeutung
des Mythos ist: die grundlegenden Widersprüche des menschlichen Lebens
könne nicht beseitigt werden – jeder Versuch, zwischen ihnen Harmonie
herzustellen, ist nichtig.
Dr. Ramas Interpretation erhielt zwar von
vielen Wissenschaftlern Applaus, wurde aber keineswegs von allen
akzeptiert. Die stärkste Attacke führte Dr. Gama, ein Anhänger des
berühmten Dr. Sigmund Fraud, der eine weitere (sogenannte
analo-psychische) Schule der Hermeneutik begründete. Dr. Gama stellte
praktisch alle Einzelheiten von Dr. Ramas Interpretationen und den
gesamten Überbau von Herrn Levi-Strauss‘ Hosen-Doktrin in Frage. Dr.
Frauds Theorie besagt, die Menschen wünschten nichts anderes als sich
dauernd zu paaren, aber um zu überleben, nötigten sie einander auch
andere Dinge zu tun, was sie unglücklich mache: infolge dieser
Unglückseligkeit schrieben manche Menschen Gedichte, andere begingen
Selbstmord, wieder andere würden führende Politiker etc. „Ich gebe zu“,
sagte Dr. Gama, „dass Dr. Rama einige interessante Tatsachen gefunden
hat, die ein neues Licht auf die Legende werfen. Aber seine
phantastische Interpretation ist völlig unhaltbar. Neue Fakten
bestätigen wiederum, dass nur fraudsche Theorie einen Schlüssel zu der
Geschichte liefern kann. Ihre wahre Bedeutung ist für jeden
unvoreingenommenen Geist offenkundig. Das Schwein, weit davon entfernt
ein Männlichkeitssymbol darzustellen, stand für einen weibischen Mann,
einen Castrato: Wie man weiß kastrierte man damals männliche
Schweine,die später zur Ernährung verwendet wurden.
Die Wendung
„diese männlichen Chauvinistenschweine“ unterstützt Dr.Ramas Spekulation
keineswegs, sondern passt sich nahtlos in die Fraudsche Doktrin ein.
Gewiss, wir haben es mit einer Beschimpfung zu tun, aber sie bezieht
sich auf kastrierte Männer, die also keine Nachkommenschaft
hervorbringen können. Das Wort Chauvinist ist noch nicht hinreichend
erklärt, aber höchstwahrscheinlich ist es mit „chauve“, das heißt kahl
oder haarlos, verwandt. UndKahlheit war ein weiteres Zeichen von
Entmannung, während Haare männliche Tüchtigkeit versinnbildlichten.
Damit ist die Interpretation klar: der Kaiser wurde im Land der
„Castrati“ („Schweine“) besiegt und musste mit Röcken bekleidet fliehen –
nicht, weil er eine androgyne Gestalt war, wie Dr.Rama behauptet,
sondern weil er unzweifelhaft halb männlich war; mit anderen Worten, er
dürfte nahezu mit Sicherheit kastriert gewesen sein. Tatsächlich
versuchte er anderen Männern – die vermutlich ebenso kastriert waren wie
er selbst – ihre Männlichkeit zurückzugeben. Aber er scheiterte. Wenn
die Frauen in einem der Feindesländer glücklich und die Männer
unglücklich waren, so wahrscheinlich deshalb, weil man die Männer in
diesem mythologischen Land kastriert hatte. Nachdem die Frauen den
Gegenstand ihres Neides beseitigt hatten, waren sie glücklich. Welche
Erklärung könnte plausibler sein? Folglich ist die Legende ein Ausdruck,
der universellen menschlichen Kastrationsangst und das Scheitern des
Kaisers symbolisiert den Umstand, dass Kastration unumkehrbar ist. Die
Theorie von Dr.Fraud hat sich wieder einmal bestätigt.
Dies war
jedoch nicht das Ende der Tagung. Ein anderer Wissenschaftler, Dr.Ngama,
griff beide vorangegangenen Interpretationen an. Prof.Ngama ist ein
Schüler des großen Dr.Calamarx: die Theorie des letzteren besagt, dass
es reiche und arme Menschen gibt, die gegeneinander kämpfen und im Laufe
ihrer Auseinandersetzung verschiedene Mythologien erfinden; Die
Mythologien der Reichen sollten alle überzeugen, dass die Reichen reich
und die Armen arm zu bleiben hätten, während die Mythologien der Armen
das Gegenteil beabsichtigen. In der Zukunft – bewies Dr.Calamarx –
würden die Armen alle Reichen umbringen und danach würden alle Menschen
sehr, sehr glücklich sein. Prof.Ngama erläuterte: „Jedem, der bei klarem
Verstand ist, sollte deutlich sein, dass, wissenschaftlich gesprochen,
die beiden bei dieser Konferenz vorgelegten Theorien nicht nur falsch,
sondern auch reaktionär sind. Dr.Ramas Pseudotheorie läuft auf die
Behauptung hinaus, die angeblichen „Strukturen“, die er sich ausgedacht
hat, seien unveränderlich – mit anderen Worten, reiche Menschen würden
stets reich und arme Menschen stets arm sein. Was Dr.Gamas Theorie
betriftt, so verkündet sie, dass arme Menschen, statt gegen
Ungerechtigkeit zu kämpfen, sich nur sorgen um den möglichen Verlust
ihres sexuellen Vermögens machen sollten.
Dabei liegt die wahre
Bedeutung der Legende auf der Hand. Das der reiche Kaiser selbst reich
war, ist nebensächlich für die Geschichte, da alle Kaiser der
Vergangenheit reich waren – nur in dem universellen Glückszustand der
Zukunft werden die Kaiser arm sein. Relevant ist, dass der Kaiser ein
Streiter für die „Armen“ war, wie sogar meine Gegner einräumen mussten.
Daraus lässt sich schließen, dass seine Feinde Streiter für die Reichen
waren, denn alle Kämpfe sind letztendlich auf den Konflikt zwischen
reich und arm zurückzuführen. Alle bekannten Elemente des Mythos
untermauern diese Interpretation. Der Kaiser wurde von Schweinen
besiegt, doch Schweine – die keineswegs dieses oder jenes sexuelle
Symbol darstellten, wie die Theorien meiner Gegner „zeigen“ sollen –
waren symbolische Bilder des Reichtums. Beide Sprecher zogen es vor, ein
Flugblatt, unterzeichnet von der „Absoluten Revolutionären
Unbesiegbaren Weltbefreiungsbewegung der Rackernden Massen“ – außer acht
zu lassen, in dem es eindeutig heißt: „Bringt die reichen Schweine um!“
Dieser edle Kaiser, ein Streiter für die Armen, wurde heimtückisch von
seinen Feinden ermordet, aber Dr. Rama selbst wies nach, dass seine
Witwe später einen armen Mann heiratete. Die Botschaft der Legende ist
also folgende: ein großer Kämpfer für die Sache der Armen ist getötet
worden, aber das Ringen geht weiter. Die Legende gehört unbestreitbar zu
der Folklore armer Menschen, und die Richtigkeit von Dr. Calamarx‘
unüberwindlicher Theorie ist wieder einmal unterstrichen worden.
Mit
drei widersprüchlichen Theorien konfrontiert, musste die Akademie die
Wahrheit – wie üblich – durch Abstimmung finden. Nach vier Wahlgängen,
die keine klare Mehrheit erbrachten, entschieden die meisten Mitglieder
sich im fünften Wahlgang für Dr. Gamas Erklärung, womit die Wahrheit von
Dr. Siegmund Frauds Theorie endgültig und wissenschaftlich festgestellt
war. Dr. Gama frohlockte, während die beiden besiegten Gelehrten, deren
Irrtümer nun bloßgestellt waren, bitterlich weinten. Wer eine falsche
antropologische Theorie verteidigt, kann mit dem Tode bestraft werden.
Leszek Kolakowski