Dienstag, 24. September 2019

Die letzten ihrer Art [Teil 1]

Douglas Adams und Mark Cawardine
Die letzten ihrer Art
Eine Reise zu den aussterbenden Tieren unserer Erde
Man muss nicht per Anhalter durch die Galaxis reisen, um auf ungewöhnliche Lebewesen zu stoßen. Unsere Erde beheimatet schier unendlich viele davon, von denen wir jeden Tag aufs Neue überrascht werden. Uns stehen mittlerweile Möglichkeiten zur Verfügung, auf dem eigenen Planeten fremde Welten zu entdecken und unbekannte Lebensformen. Dabei dringen wir an Orte vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.
... Okay, Schluss mit dem Star-Trek-Monolog. Worauf wir wirklich stoßen, ist ein drohendes Massensterben.
In den 80er Jahren trat der WWF an Douglas Adams heran mit der Frage, ob er nicht mit dem Zoologen Mark Cawardine um die Welt reisen und über aussterbende Tierarten berichten wolle. Warum übertrug man eine solche Aufgabe wohl dem Autor von humoristischen SciFi-Geschichten? Einerseits sicherlich wegen seiner Bekanntheit. Allein sein Name sollte Werbung für ein Unterfangen sein, das internationale Aufmerksamkeit und Unterstützung brauchte. Andererseits fand man in Douglas Adams jemanden, der durch absolute Unkenntnis glänzte und ohne viel Fachsimpelei von all diesen Reisen erzählen konnte.
Daraus wurde eine Radiosendung und ein begleitendes Buch, das als ungekürztes Hörbuch bei Spotify verfügbar ist. Ich selbst kam über den Vorleser Stefan Kaminski darauf, den ich bereits bei Gaimans American Gods schätzen gelernt hatte.
Nun ja, tatsächlich habe ich zuerst mit der Geschichte des Kakapo angefangen. Ein witziger Einstieg, der auch für sich allein stehen kann (ab Kapitel 66 bei Spotify, "Herzklopfen in der Nacht", falls man mal reinhören möchte).
Douglas Adams hat eine sehr charmante und ehrliche Art des Erzählens, was mit dem Sprechertalent von Kaminski perfekt harmoniert. Als Beauftragte und nicht bloß als zum Urlaub Eingereiste fühlen sich die beiden Entdecker Adams und Cawardine manches Mal privilegiert. Sie erwarten abgelegene Orte, Dschungel und Wildnis. Doch ab und zu treffen sie ihre gesuchten Tiere nicht in menschenleerer Natur, sondern in einer Touristenattraktion. Douglas Adams macht keinen Hehl daraus, zu schildern, wie es wirklich war. Und manchmal wurde daraus kein Abenteuer, sondern nur eine Farce.
Auf der anderen Seite waren manche Naturschutzgebiete für sie wegen der strengen Kontrollen kaum zu erreichen. Als Zuhörer begleitet man Adams und Cawardine nach Madagaskar, Komodo (Sundainseln), Zaire (Kongo), Neuseeland, China und Mauritius. Da es sich um die ungekürzte Fassung handelt, sind recht viele Anekdoten und Ausführungen enthalten, die sich mit der Mentalität des jeweiligen Landes und den Einreiseschwierigkeiten befassen. Die Informationsdichte ist daher nicht besonders hoch, aber meines Erachtens in einem recht guten Maß gehalten für jenen Adressaten, der genauso Laie ist wie Douglas Adams selbst und der von einigen Tieren noch nie etwas gehört hat.


Das Aye-Aye oder Fingertier ist lediglich auf Madagaskar beheimatet. Inseln sind eine Zuflucht für viele Arten, die auf dem Festland nicht überlebt hätten. Lemuren beispielsweise hätten im Kampf um Nahrung gegen die stärkeren Affenarten wahrscheinlich den kürzeren gezogen. Dem Aye-Aye kommt zugute, dass es auf Madagaskar keine Spechte gibt, sodass Insekten unter der Baumrinde als ideale Nahrung dienen, ebenso Früchte oder Pilze. Hierfür entwickelte das Aye-Aye die (im Deutschen namensgebenden) langen Finger, von denen der dritte sehr dünn ist. Es geht dabei genauso vor wie ein Specht, klopft den Baum auf Hohlräume ab, entfernt die obere Rinde und bohrt den dritten Finger in schmale Spalten, um Insekten rauszuholen. Es hat ein gutes Gehör, um diese Unterschiede wahrzunehmen. Als nachtaktive Primatenart sind zudem Geruchs- und Tastsinn gut ausgebildet. Einzigartig unter Primaten sind seine nachwachsenden Zähne, außerdem hat es Krallen statt Nägeln, was sonst nur beim Krallenaffen vorkommt. Die Zitzen liegen in der Leistengegend, auch das ist untypisch. Neben den ganzen einzigartigen Eigenschaften sind Aye-Ayes optisch so eine Mischung aus total niedlich und merkwürdig gruselig.
In den vergangenen 25 Jahren ist die Population um die Hälfte gesunken und soll sich in den nächsten zehn Jahren nochmal halbieren. Aye-Ayes sind die einzig übrigen Vertreter ihrer Familie. Vor tausend Jahren gab es noch einen weiteren Verwandten, das Riesenfingertier, das mittlerweile ausgestorben ist. Bedrohung geht einerseits davon aus, dass Madagaskar zunehmend erschlossen wird und sich der Lebensraum verkleinert, andererseits werden Aye-Ayes gejagt, weil sie auf Plantagen einfallen und manchmal auch wegen ihres Fleisches. Es gibt einen Aberglauben unter der Bevölkerung, dass man stirbt, wenn man ein Aye-Aye erblickt, darum werden manche auch deswegen getötet.

Wer Btooom! gelesen oder gesehen hat, kennt sie: die Drachen oder Komodowarane, die auf den Sundainseln zwischen Asien und Australien beheimatet sind. Sie sind vermutlich Vorbild für einige Drachenlegenden, auch wenn sie kein Feuer spucken. Als Fleischfresser jagen sie ihre Beute, indem sie in Gliedmaßen beißen und warten, bis das Tier nach zwei, drei Tagen verendet. Im Bericht von Adams und Cawardine wird dies noch auf die Infektion zurückgeführt, doch tatsächlich fand man heraus, dass die Komodowarane ein Gift absondern. Auf die Weise können sie Ziegen, Hirsche und manchmal sogar Wasserbüffel erjagen. Und natürlich auch Menschen, zumindest Kinder. Das Volk auf Komodo baut daher Häuser auf Stelzen, obwohl ein Angriff nur selten passiert. Die Drachen kommen nahezu täglich ins Dorf, werden aber recht einfach vertrieben. Komodowarane besitzen eine hohe Ausdauer und können ihre gebissene Beute über Kilometer hinweg riechen. Eine Mahlzeit brauchen sie nur etwa aller zwei Wochen. Sie verschlingen ihre Beute komplett mitsamt Knochen und scheiden nur Haare, Nägel und Kalzium wieder aus. Es gibt auf Komodo keine Säugetierraubtiere, was dazu führte, dass die Drachen überleben und ein für Echsen ungewöhnlich leistungsfähiges Kreislaufsystem entwickeln konnten. In Australien gab es einen Verwandten, den Megalania, der sechs oder gar sieben Meter lang wurde, im Gegensatz zum kleineren Komodowaran mit "nur" drei Metern. Diese Riesenechsen starben nach dem Pleistozän aus. Auch hier zeigt sich wieder die Besonderheit von Inseln für das Überleben und die Spezialisierung einzelner Arten.
An dieser Stelle ist die Erzählung von Adams sehr desillusioniert. Sie trafen auf Komodo eine Gruppe von abgeklärten Touristen und wurden von ein paar Rangern zu einer Art Raubtierfütterung gebracht, wobei die zur Speise bestimmte Ziege gleich mitgeführt wurde. Die Warane lagen schon um die Futterstelle bereit, sie waren fett und faul geworden, manche von ihnen verließen den Platz gar nicht mehr. Das alles wurde nur als Show für die Touristen abgezogen. Offenbar wird das heute wohl nicht mehr so gemacht, die Bevölkerung verdient dennoch gut an den Waranen durch den Verkauf von Schnitzereien zum Beispiel.
Bedroht ist der Komodowaran vor allem durch Verringerung von Lebensraum und Nahrungsquellen sowie durch die ungleiche Geschlechtsverteilung, da es sehr viel mehr Männchen gibt als Weibchen.


Das Nördliche Weiße Rhinozeros oder Breitmaulnashorn sieht nicht viel heller aus als seine Verwandten, was Douglas Adams erstmal enttäuschte. Der Name geht aber offenbar auf einen Übersetzungsfehler zurück und hatte nichts mit der helleren Färbung der Tiere zu tun, sondern bezog sich auf ihr breiteres Maul, also das afrikanische Wort "wyd" als "wide" statt "white". Daher auch die mittlerweile geläufigere Bezeichnung als Breitmaulnashorn. Sie sind die größten Vertreter der Nashörner. Zur Zeit des Berichts von Adams gab es noch 22 Tiere in einem streng geschützten Gebiet in Afrika.
Dass die Tiere massiv durch Wilderei und Handel mit ihrem Horn bedroht sind, ist eine bekannte Tatsache. Obwohl die Hörner nur aus Keratin bestehen und damit nicht wertvoller sind als unsere Fingernägel, würde man ihnen in der chinesischen Medizin angeblich besondere Wirkung zusprechen. Sie gelten als Aphrodisiakum, doch Douglas Adams bezeichnet diesen Aberglauben wiederum als Aberglauben. In der chinesischen Medizin war Rhinozeroshorn nie ein Aphrodisiakum, aber weil viele glaubten, dass es andere glaubten, hielt sich dieser Mythos hartnäckig. Viel wichtiger sei laut Adams, dass Dolchgriffe aus Rhinohorn im Jemen als Männlichkeitssymbol gelten. Nach seiner Darstellung hat das Horn in dieser Form am Ende einen Wert von mehreren Tausend US-Dollar. Der Wilderer jedoch bekommt dafür nur zwischen 10 und 15 Dollar. Die Idee, den Wilderern dann eben 25 Dollar zu zahlen, damit sie die Tiere nicht töteten, würde wohl nur in dem Schluss münden, dass man so an einem einzigen Tieren gleich 35 bis 40 Dollar verdienen könne. Der Schutz der Tiere könne also nur dadurch gewährleistet werden, indem man den Schutz der Tiere für das Volk selbst proftabel machte.
Nachdem ich mit dem Buch fertig war, habe ich bei allen Arten geschaut, wie es ihnen mittlerweile geht. Von dieser Nashornart leben heute nur noch zwei Weibchen. Das letzte Männchen, das in Kenya gehalten wurde, verstarb letztes Jahr. Insofern sie nicht durch genetische Forschung und Befruchtung, woran derzeit gearbeitet wird, noch irgendwie gerettet werden können, ist die Art damit praktisch ausgestorben.
Es bleibt das südliche Breitmaulnashorn, das ursprünglich für ausgerottet galt, bis man ein paar Exemplare entdeckte. Von diesen wenigen Exemplaren stammen alle heute noch existierenden südlichen Nashörner ab. Ihre Zahl erhöhte sich auf an die 20 000 Tiere. Sie werden noch immer gejagt und gelten als potenziell gefährdet.
Damit bin ich bei der Hälfte der Kapitel angelangt und mache vorerst einen Schnitt. Dieser Eintrag ist schon viel zu lang.
Beim nächsten Blog geht es darum, wieso Katzen und Hasen exotische Tiere sind, wie der Kakapo eine Menge Quatsch macht und ihn das Weibchen nicht versteht und außerdem um das bekannteste ausgestorbene Tier und seine Bedeutung. Im dritten und letzten Teil gehe ich darauf ein, was ein einsamer Kaffeebaum über unser Umweltproblem aussagt.

Samstag, 31. August 2019

Besser die NPD als die AfD?

Morgen sind Landtagswahlen in Sachsen. Ich habe den Wahl-O-Mat konsultiert und der sagt mir, ich solle zu 75% Die PARTEI wählen. Der Wahl-O-Mat versteht also, dass ich zynisch bin. Er sagt mir auch, dass die AfD mit 29,5% die letzte Partei ist, die ich wählen sollte. Sogar im Gegensatz zu den 38,6% für die NPD. Ich soll also lieber die NPD wählen als die AfD ...? Woran das liegt, kann ich nicht ausmachen. Vielleicht hat die NPD keine Wolfsbeauftragte Frau Grimm, die dafür sorgt, dass unsere Kinder nicht von Wölfen gerissen werden. Vielleicht hat die NPD nicht die Idee, Drohnen mit Wärmebildkameras über unseren Feldern einzusetzen, um Rehkitze vorm Mähdrescher zu retten. Das ist kein Scherz, steht alles in ihrem Wahlprogramm, unter der Überschrift: "Altparteien lassen unsere Tierwelt brutal sterben." Und das von einer Partei, die den Klimawandel leugnet.
Ein Viertel der Sachsen soll sie ja trotzdem wählen, daran ändern auch Skandale nichts. Und ich kann es mir vorstellen, wenn ich manchen Leuten in meinem Umfeld so zuhöre. Der alten Dame zum Beispiel, die in der Straßenbahn den nächsten Dreckhügel an einer Baustelle zum Anlass nimmt, um die Flüchtlinge dafür verantwortlich zu machen. Oder den Leuten im Pausenraum auf Arbeit, die den alten Spruch "Die nehmen uns unsere Arbeitsplätze weg" wie ein Mantra wiederholen, während in Dresden händeringend an jeder Ecke nach Arbeitskräften gesucht wird.
Die Fragen des Wahl-O-Mats geben diese Ansichten und Prioritäten ziemlich gut wieder. Ich versuche das mal sinngemäß zu rekonstruieren: Eigene sächsische Grenzpolizei? Soll Wohngeld nur Deutschen zukommen? Sollen Asylbewerber in Abschiebehaft genommen werden? Was sind das für Fragen? Die wirklich wichtigen Inhalte erscheinen dagegen zweitrangig. Der Schwerpunkt wird verschoben.
Es sind die immer gleichen Phrasen, die aus der allgemeinen, teils unbegründeten Unzufriedenheit der Menschen heraus entstehen. Das heißt nicht, dass es uns super geht. Die Schere zwischen Arm und Reich wird größer, wir investieren viel zu wenig, machen durch die schwarze Null unsere Wirtschaft kaputt, vernachlässigen die Bildung und Infrastruktur usw. usw. Aber die AfD fürchtet sich vorm bösen Wolf? Das ist bezeichnend und war bereits damals beim Wahlerfolg der NSDAP Trend. Wirtschaftskrise und hohe Arbeitslosenquote in den 30er Jahren bescherten ihnen diesen Wahlerfolg, aber er ging nicht von den tatsächlich Betroffenen aus, sondern von jenen, denen es eigentlich gut ging und die nur eine diffuse Angst verspürten. "Panik im Mittelstand" nannte es der Soziologe Theodor Geiger. Eine Angst vor dem, was einseitige Berichterstattung einem vorgaukeln kann, vor Überfremdung oder davor, irgendwelches Geld weggenommen zu bekommen, von dem man gar keine Ahnung hat, wo es überhaupt anfällt und wo es hinfließt. Es ist die Suche nach simplen Antworten und eben die Angst vorm bösen Wolf.
Ich sehe die AfD keineswegs als gleichwertige Gefahr wie die NSDAP, sondern betrachte nur die Tendenz von Menschen zu Umbruchzeiten, die sich verschiedenen Extremen zuneigen. Thomas Childers bezeichnete die NSDAP als "Sammelbewegung des Protestes". Auch die AfD ist ein Sammelbecken für alle Schichten, obwohl es durchaus höhere prozentuale Anteile gibt, wie etwa den männlichen Arbeitnehmer mittleren Alters. Und von diesem, so meine Erfahrung, höre ich auch die meisten Mythen. Dass wir wieder stolz sein sollen, zum Beispiel auf unsere deutschen Soldaten im Weltkrieg. Wir sollten einen Begriff wie "völkisch" wieder etablieren, er sei ja grundsätzlich nichts Schlechtes. Der Autobahnbau hätte Arbeitsplätze geschaffen, die Wirtschaftskrise sei überwunden worden, es hätte Konsum und Wohlstand gegeben und nur so ein Quatsch. Aber ein Mythos muss ja nicht wahr sein, um Wirkung zu entfalten.
Nein, ich finde die AfD nicht unbedingt gefährlich, zumindest nicht in diesem Ausmaß. Und ich glaube auch nicht, dass es der richtige Weg ist, sie aus jeder Diskussion auszuschließen und ihre Wähler per se als Idioten zu bezeichnen. Wie gesagt, diese Wähler kommen aus jeder Schicht und werden nur frustrierter und engstirniger, wenn man sie so darstellt, glaube ich. Auch wenn die Diskussion wie das Schachspiel mit einer Taube ist. Doch ich glaube, wenn die AfD stärker an der Regierung partizipiert, werden wir uns noch viel mehr mit unnötigem Quatsch beschäftigen und nicht mit den wirklich wichtigen Dingen.
Darum zum Abschluss noch ein Video von Semsrott. Vielleicht sollte ich doch Die PARTEI wählen. Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Dienstag, 27. August 2019

Buchvorstellung: Atomphysik in Japan

Morris Low
Science and the Building of a New Japan
"Die Entwicklung der Atomphysik in Japan anhand des biografischen Profils ihrer Macher zur Zeit des Pazifikkrieges und danach" - so oder so ähnlich sollte der Untertitel dieser Abhandlung lauten. Denn der Titel ist etwas irreführend und somit das eigentliche Problem dieses Werkes. Es geht nicht in erster Linie um den Aufbau der japanischen Wissenschaft im Allgemeinen, nicht einmal um Naturwissenschaft, sondern vor allem um nukleare Energiegewinnung angesichts der Erfahrungen von Hiroshima und Nagasaki. Stellt man sich die Frage, warum sich Japan dem Slogan "Atoms for Peace" derart unkritisch anschloss und Proteste vor allem gegen Atomwaffen, nicht gegen zivile Kernenergienutzung gerichtet waren, findet man in diesem Buch ein paar Antworten darauf.
Nach der Meiji-Restauration war Japan gezwungen, sich der Welt zu öffnen und sich auch wissenschaftlich von den westlichen Nationen in das neue Jahrhundert führen zu lassen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Nicht wenige japanische Wissenschaftler hatten Erfahrungen in Übersee gesammelt und Bekanntschaften mit internationalen Kollegen geschlossen. Diese Einflüsse waren im Zweiten Weltkrieg nicht plötzlich verschwunden. In Morris Lows Abhandlung wird herausgearbeitet, wie einzelne Wissenschaftler in ihrer Forschung auf die gesellschaftlichen Veränderungen reagierten, zum Beispiel Yoshio Nishina oder die beiden Nobelpreisträger Shinichiro Tomonaga und Hideki Yukawa. Deren Lebensläufe und persönlichen Ansichten werden sehr genau in den Blick genommen.
Stellenweise sind die Biografien zu ausführlich und auch die Darstellung der wissenschaftlichen Entwicklung anhand von diversen Institutionen etc. geht sehr ins Detail und verkommt manchmal zu einer Aufzählung von Daten und Fakten. Die Grundlagen und Zusammenhänge etwa durch die Zaibatsu oder die politische Situation hätten stärker herausgearbeitet werden können.
Insgesamt ist Science and the Building of a New Japan jedoch ein sehr informatives Werk und dient vor allem dazu, vorhandene Kenntnisse zu vertiefen, um daraus eigene Schlüsse zu ziehen.

Antonia S. Byatt: Kurzgeschichten

Antonia S. Byatt
Stern- und Geisterstunden
Das war ein Zufallskauf unter Mängelexemplaren. Eine Sammlung von Kurzgeschichten.
Diesmal mache ich es anders. Eine Minimalbuchvorstellung. Ich fasse die jeweilige Handlung in einem Satz zusammen, dann wähle ich aus der Geschichte einen Satz als Zitat aus und anschließend noch irgendein Wort.
Der Juligeist
Inhalt: Jemand begegnet dem Geist eines Jungen, dessen Mutter ihn nicht sehen kann.
Zitat: "Der Junge, der in dem Baum saß, schien nicht nach einem Ball zu suchen."
Wort: Dauphinisierung
Der Tag an dem E. M. Forster starb
Inhalt: Eine Schriftstellerin entschließt sich, all ihre Romanideen in einem einzigen Werk zusammenzufassen, und begegnet einem paranoiden Mann.
Zitat: "Indem sein Werk nunmehr wahrhaftig in die Vergangenheit eingegangen war, konnte sie in gewissem Sinne darüber verfügen, stand es ihr zur Verfügung als etwas, wovon sie lernen konnte, war es offiziell beendet."
Wort: Motette
In der Luft
Inhalt: Eine dicke, paranoide Frau mit Hund begegnet beim Spaziergang einer blinden, mutigen Frau mit Hund.
Zitat: "Sie sah, wie sie unbeirrt weiterschritt, auf dem schmalen Grat zwischen Stürmen und unsichtbaren Abgründen unendlich schlimmerer Ängste, als es die ihren waren."
Wort: Paspel
Das Ding im Wald
Inhalt: Zwei kleine Mädchen treffen nach der Kriegsevakuierung im Wald auf ein Ding.
Zitat: "Schier endlos kam das Ding gekrochen, beugte und brach alles, was ihm in den Weg kam, samt den Büschen, doch den kräftigen Bäumen wich es aus und wand sich schwerfällig zwischen ihnen hindurch."
Wort: Zentifolien
Körperkunst
Inhalt: Die Geburtenstation einer Klinik soll verschönert und eine alte Sammlung archiviert werden, während eine dürre Kunststudentin kein Zuhause und der leitende Arzt kein Mitleid hat.
Zitat: "Es ist nicht schwer, menschlich zu sein, solange man sich dazu anhalten kann."
Wort: Bakelit
Frau aus Stein
Inhalt: Eine Frau wird allmählich zu Stein und folgt einem Bildhauer nach Island, um mit den Trollen zu tanzen.
Zitat: "Die menschliche Welt der Steine ist in organischen Metaphern gefangen wie die Fliege im Bernstein."
Wort: Luffagurke
Rohstoff
Inhalt: Jedes Jahr hält er einen Kurs für dilettantische Hobbyautoren ab, doch diesmal ist jemand dabei, der es versteht, darüber zu schreiben, wie man früher den Herd mit Ofenschwärze gereinigt hat.
Zitat: "Er hatte es aufgegeben, ihnen zu erklären, dass kreatives Schreiben nicht eine Form von Psychotherapie sei."
Wort: Kolportage
Das rosafarbene Band
Inhalt: Ein alter Mann kümmert sich um seine Frau, die ihn nicht mehr erkennt, bis eines Abends eine junge Dame im roten Kleid vor seiner Tür steht.
Zitat: "Und sie küssten sich, mit Ruß auf der Zunge und mit der brennenden Stadt in ihren Lungen."
Wort: Amnion

Sonntag, 4. August 2019

Wertewandel der digitalen Gesellschaft

Gar nicht so einfach, diesem Thema einen Namen zu geben. Bei Wertewandel denken wir wahrscheinlich in erster Linie an gesellschaftliche Normen und Moralvorstellungen, aber mir geht es hier auch um die Definition des Wertes an sich, um das neue Kapital und um eine moderne Interpretation von Marx, die uns mittlerweile an vielen Stellen begegnet.
Ich möchte in diesem Eintrag ein paar Videos sammeln, die sich mit dem Wertewandel unserer Gesellschaft in jener doppelten Auslegung befassen. Das dient mir eigentlich zur Übersicht und um ein paar Gedanken festzuhalten. Aber vielleicht findet auch der eine oder andere Mitleser etwas Interessantes für sich oder hat etwas beizusteuern.
Digitaler Kapitalismus
Michael Seemann beschäftigt sich hier mit der Frage, wie sich durch die Digitalisierung das Kapital eines Unternehmens wandelt und was für Auswirkungen das auf Eigentum, Arbeit, Markt und Wachstum hat. Frühere Definitionen dieser Aspekte können solche modernen Unternehmensstrukturen nicht mehr erfassen (genauso wenig, wie es unsere Steuern tun).
Seemann ist nicht der beste Redner, aber seine Darstellung ist auch für Laien leicht verständlich. Er schneidet nachvollziehbar ein paar Negativaspekte von Datensammlung / Big Data an, beispielsweise Preisdiskriminierung durch das Abgreifen eines consumer surplus. Die Probleme müssen demnach nicht gleich bei Horrorszenarien wie in China beginnen.
Digitale Dystopie in China
Trotzdem ist Big Data in China das Beispiel schlechthin für eine Dystopie der Digitalisierung. Noch ein Beleg dafür, dass unsere Vorstellungen von Kapitalismus und Sozialismus langsam obsolet geworden sind, denn die Kontrolle der Regierung wird in diesem Fall über das Punktesystem von Alibaba ausgeübt, also mit kapitalistischen Mitteln.
Es ist wie eine Payback-Karte für Gedankenkontrolle. Wer die richtigen Produkte kauft, bekommt Pluspunkte und somit Vergünstigungen in allen Bereichen, er erhält Reisefreiheit und Vorteile im Job. Wer hingegen die falschen Produkte kauft (Alkohol, Videospiele etc.) oder sich auffällig verhält, seine Rechnungen zum Beispiel nicht pünktlich zahlt, erhält Punktabzug. In Zukunft kann es sich in China ebenso negativ auswirken, mit den falschen Leuten befreundet zu sein. Um den eigenen Wohlstand nicht zu gefährden, nimmt man vielleicht lieber Abstand von Menschen, die einen niedrigen Punktescore haben. Somit können der Regierung unliebsame Personen sozial isoliert werden, ohne sie überhaupt noch inhaftieren zu müssen.

Yanis Varoufakis
Zurück zu Europa und einem Mann, den ich sehr schätze: Yanis Varoufakis, ehemaliger Finanzminister in Griechenland. Es ist zwar eine Sendung über Philosophie, aber in dem Gespräch geht es viel eher um Politik und Wirtschaft. Die ersten zehn Minuten drehen sich größtenteils um Kindheit und Jugend von Varoufakis, danach reitet der Moderator lange auf unwichtiger Kleiderordnung rum. Der ist mir ohnehin unsympathisch, zitiert falsch und haut sogar ein paar eigentlich schon rassistische Aussagen raus (die Griechen seien ein unehrliches Volk oder so). Aber nach einer Viertelstunde geht es dann um Kapitalismus und den Unterschied zwischen Preis und Wert bzw. eine neue Art von Wertschöpfung, die von Kapital und Geld unabhängig ist.
Es geht u.a. um die Entfremdung von der eigenen Arbeit und um Disintermediation in allen Bereichen. Viele Berufsfelder sind überflüssig geworden, ein Resultat davon sind Bullshit-Jobs, daher sollten wir uns darauf besinnen, welchen (Lebens-)Wert wir uns wirklich erarbeiten. Ein paar der angeschnittenen Aspekte werden auch im folgenden Jung&Naiv-Interview nochmal aufgegriffen.
Varoufakis über die Situation in Europa
Das Interview ist vom letzten Jahr, Varoufakis sagt bereits den Untergang der SPD bei der folgenden Wahl voraus, was vielleicht kein Talent ist, wenn man die Entwicklung beobachtet hat. Interessanter ist allerdings seine Vorstellung von einem bedingungslosen Grundeinkommen, das er mehr als einen Anteil am Kapital der digitalisierten Großkonzerne sieht. Damit sind wir wieder beim ersten Thema angelangt: Big Data als neuem Kapital der Unternehmen. Da wir gezwungenermaßen unsere Daten abgeben und Konzerne damit arbeiten, sind wir quasi zu inoffiziellen Mitarbeitern geworden. Daher fordert Varoufakis eine Dividende für alle Bürger aus dieser neuen Wertschöpfung.
Anfangs noch belächelt und für naiv und utopisch gehalten, so ist das bedingungslose Grundeinkommen mittlerweile in die politischen Diskussionen eingegangen. Auch das ist ein Zeichen des doppelten Wertewandels unserer Gesellschaft.
Richard David Precht über den historischen Kontext
Precht sieht die mögliche Umsetzung eines bedingungslosen Grundeinkommens in einer Finanztransaktionssteuer. Das Interview hier ist ganz informativ, weil er auf die Entwicklung der letzten 100 Jahre eingeht und erklärt, warum das keine Träumerei, sondern eher ein logischer Schritt ist, da sich unsere Gesellschaft in diesem tiefgreifenden Wandel befindet.
Anfang der 70er Jahre gab der Club of Rome mit den "Grenzen des Wachstums" eine noch heute bekannte Studie in Auftrag, die den Fortschritt, nicht nur mit Blick auf die Ressourcen, in seine Schranken weist. Die Vorteile des Kapitalismus und der Globalisierung trugen zum Frieden bei und gingen mit einer Fortschrittsgläubigkeit einher. Fortschritt war automatisch positiv konnotiert. Aber diese Perspektive sollte nun langsam zu einem Ende kommen. Eine moralische Umorientierung zeichnet sich bereits ab und spiegelt sich in den zahlreichen Debatten über Nachhaltigkeit wider. Der Wandel sollte sich aber auch bei Bildung, Arbeit und Wertschöpfung zeigen.

Donnerstag, 11. Juli 2019

Wegen eines Bissen Brotes

In seinem autobiografischen Werk beschreibt Elie Wiesel, wie er am Ende des Zweiten Weltkrieges mit hundert anderen Juden in einem Güterwaggon von einem Konzentrationslager in ein anderes verfrachtet wurde.
Wir erhielten keinen Proviant. Statt von Brot lebten wir von Schnee. Die Tage glichen den Nächten, und die Nächte ließen in unseren Seelen die Hefe ihrer Finsternis zurück. Der Zug fuhr langsam, hielt oft einige Stunden und fuhr dann weiter. Es schneite ununterbrochen. Tage und Nächte hindurch hockten wir wortlos aufeinander. Wir waren nur noch ausgekühlte Körper. Mit geschlossenen Lidern warteten wir nur auf den nächsten Halt, um unsere Toten ausladen zu können.
Zehn Tage, zehn Nächte Reise. Manchmal, meist morgens, fuhren wir durch deutsche Ortschaften. Arbeiter blieben auf dem Weg zur Arbeit stehen und blickten uns kaum verwundert nach.
Als wir einmal anhielten, zog ein Arbeiter ein Stück Brot aus seinem Brotbeutel und warf es in einen Wagen, was einen Aufruhr verursachte. Dutzende von Ausgehungerten brachten sich gegenseitig für ein paar Krumen um. Gebannt schauten die deutschen Arbeiter diesem Schauspiel zu.
In dem Viehwagen, in den das Stück Brot gefallen war, entstand eine wahre Schlacht. Man stürzte aufeinander los, trat, zerfleischte und zerbiss sich gegenseitig - entfesselte Raubtiere mit hassverzerrtem Blick, denen eine plötzliche, ungewöhnliche Lebenskraft Zähne und Klauen gewetzt hatte.
Eine Schar von Arbeitern und Gaffern lief am Zug zusammen. Vermutlich hatten sie noch nie einen derartigen Güterzug gesehen. Bald flogen an vielen Stellen Brotstücke in die Waggons, und die Zuschauer schauten den ausgemergelten Gestalten zu, die wegen eines Bissen Brotes einander den Garaus machten.
Jahre später wohnte ich in Aden einem ähnlichen Schauspiel bei. Die Passagiere unseres Schiffes belustigten sich damit, den "Eingeborenen" Münzen ins Wasser zu werfen, nach denen diese tauchten. Eine aristokratisch aussehende Pariserin empfand besonderes Vergnügen bei diesem Spiel. Plötzlich sah ich zwei Kinder, die sich auf Leben und Tod balgten, wobei das eine das andere zu erdrosseln suchte.
"Ich flehe Sie an, gnädige Frau, werfen Sie keine Münzen mehr hinunter!", bat ich die Dame.
"Warum denn nicht?", antwortete sie. "Ich tue gern Gutes."
Die Nacht von Elie Wiesel

Samstag, 22. Juni 2019

American Gods

Das ist eines jener Bücher, das einfach nur auf meiner Liste stand, weil es mir empfohlen wurde. Ich würde behaupten, ich fing es ohne Vorkenntnisse an. So ganz stimmt das zwar nicht, weil ich schon mal von der Fernsehserie gehört hatte, dennoch versuche ich mich, wenn mir eine Empfehlung ausgesprochen wird, vorher absolut nicht mit einem Buch zu beschäftigen, sondern fange unvoreingenommen und uninformiert zu lesen an.
Meine Erwartungen beschränkten sich deshalb darauf, dass ich mit personifizierten Göttern in unserer heutigen Gesellschaft rechnete. Normalerweise würde ich einen Bogen um so etwas machen, weil ich meine Schwierigkeiten mit Fantasy in der Neuzeit und mit diesen modernen Serien oder Superheldengeschichten habe. Ich mochte Harry Potter oder Pullmans His Dark Materials, daher kann ich das nicht pauschalisieren. Es ist nur eine Tendenz. Ich finde durchaus Gefallen daran, Mythologie und Religion unter modernen Aspekten zu betrachten.
Ansonsten bezog sich meine einzige Vorkenntnis auf den Autor Neil Gaiman, von dem ich bislang nur Coraline gelesen und gesehen hatte, was mir ganz gut gefiel. Außerdem noch MirrorMask, worin viele Dinge aufgegriffen wurden, die ich mag: Zirkus, Surrealismus, der Alice-im-Wunderland-Charme usw. Wenngleich all dies in den letzten zehn bis zwanzig Jahren reichlich ausgelatscht ist, hege ich noch immer eine gewisse Sympathie dafür. Zumindest diese Motive waren in American Gods jedoch nicht zu finden. Gaimans Handschrift hingegen schon.
Neil Gaiman
American Gods
Shadow erhält nach ein paar Jahren im Knast unter seltsamen Umständen eine Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte und muss draußen feststellen, dass sein bisheriges Leben in Trümmern liegt. Ein unbekannter Kerl, der sich Wednesday nennt, sammelt ihn auf und stellt ihn als Bodyguard und Fahrer ein. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg durch Amerika. Das Ziel dieser Reise kristallisiert sich nur langsam heraus: Ragnarök. Ein Krieg zwischen den alten und den neuen Göttern.
Ein Autor, der gleich am Anfang eines Buches seine im Gefängnis sitzenden Protagonisten über Herodot reden lässt, hat bei mir sofort gute Karten. Ich habe eine Schwäche für antike Klassiker. Leider haben diese Autoren in unserer heutigen Zeit ein großes Problem: Jeder kennt sie, keiner liest sie. Von Aristoteles, Cicero, Homer, Vergil oder Ovid hat jeder schon mal etwas gehört, aber kaum einer hat die Ilias oder die Aeneis gelesen. Stellen wir uns heute die Frage, ob es zum Beispiel Troja wirklich gab, was glauben wir dann zu wissen? Zwischen Wahrheit oder Fiktion, Geschichte oder Mythologie gab es in der Antike keinen großen Unterschied. Durch Lieder wurden vermeintliche Großereignisse weitergetragen und blieben im kollektiven Gedächtnis haften. Homers Werk ist im Grunde eine Sammlung dieser Lieder, vielleicht aufgezeichnet von verschiedenen, nicht bloß von einem Menschen. Der Liedcharakter mit seinen Wiederholungen führte manchmal dazu, dass sich Ereignisse in den Darstellungen von Historikern verdoppelten, weil man den Refrain missverstand. Das klingt amüsant, aber auch heute noch hat der Mensch manchmal Schwierigkeiten zu erkennen, was der Wahrheit entspricht. Und manchmal ist es in seiner Vortstellungswelt nicht einmal relevant.
Es ist ein kluger Schachzug, ein Buch wie American Gods mit Herodot zu beginnen. Er gilt als der Vater der Geschichte, wenngleich seine Methoden noch nicht so ausgereift waren wie meines Erachtens bei Thukydides. Doch er bemühte sich, aus vielen Erzählungen den Mythos von der Wahrheit zu unterscheiden. Und oftmals findet der Mythos Eingang in das Verständnis unserer Vergangenheit. Es ist eine andere, eine religiös fundierte Art der menschlichen Geschichte, die deshalb nicht unbedingt weniger wahr ist. Denn auch diese erdachte Vergangenheit gestaltet das Bewusstsein, ohne tatsächlich passiert sein zu müssen. Bei Charles Baudelaire heißt es: "Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, nicht einmal nötig hat zu existieren."
Real wird all das erst durch den menschlichen Verstand, durch den menschlichen Glauben.
Das ist eine der Grundlagen von American Gods und das ist jener Aspekt, der mich sehr stark an Noragami oder In/Spectre erinnert. Auch Noragami handelt von den Göttern in unserer Zeit, allerdings nehmen sie nicht an der Gesellschaft teil, sondern werden von den Menschen wie ein blinder Fleck wahrgenommen. Sollte jemand in Noragami auf ein übernatürliches Geschöpf treffen, wird es binnen kurzer Zeit wieder aus dem Gedächtnis gelöscht. Bei Noragami offensiv, bei In/Spectre nur als mögliche Annahme werden Götter und mystische Wesen durch den Verstand der Menschen geschaffen. Psychische Belastung kann Ungeheuer entstehen lassen. Durch Hoffnung oder die Suche nach Erklärungen entstehen Götter. Da es sich bei diesen beiden Beispielen um Manga handelt, geht es wie zu erwarten um Kami. Deren Unterschied zwischen Gott und Geist ist oftmals nicht eindeutig. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass sie verschwinden, wenn die Menschen nicht mehr an sie glauben, sie nicht mehr ehren, ihnen nicht mehr opfern oder ihnen keine Schreine, Monumente und sonstige religiöse Stätten errichten.
Bei American Gods wird diese Idee noch weiter gesponnen und auf die Götzen unserer heutigen Gesellschaft angewendet: Kapitalismus, Medienübersättigung, Fernsehen, Internet, Drogen usw. Selbst die Automobilindustrie erfährt eine Interpretation als Götter, deren Chromzähne verschmiert sind vom Blut menschlicher Opfergaben, die bis dato an noch keinem anderen Altar in diesem Ausmaß dargebracht wurden. Dieses Bild spricht schon von einer Menge Zynismus und schwarzem Humor.
Über das Funktionieren dieser Welt werden wir nicht in einer Art Einführungsveranstaltung aufgeklärt. Wir folgen der Hauptfigur Shadow, der am Anfang genauso wenig von der Existenz dieser Welt weiß wie der Leser, und reimen uns daraus Schritt für Schritt das Gefüge zusammen. Das halte ich für die ideale Vorgehensweise. Es ist jedenfalls besser als Frontalunterricht. Gaiman verzichtet darauf, dem Leser alle Verbindungen haarklein unter die Nase zu reiben und streut lieber Hinweise.
Als Shadow zum Beispiel auf Wednesday trifft, wirkt dessen Name noch recht willkürlich. Nachdem Wednesday jedoch von den ersten Eingeweihten als Allvater oder höchster Gott behandelt wird, fallen die religiösen Verbindungen unserer Wochentage auf. Sonntag für die Sonne, Montag für den Mond. Dienstag für Tyr, Donnerstag für Donar und Freitag für Freya. Bei Mittwoch ist die Verbindung verloren gegangen, aber in "Wednesday" besteht sie noch immer und verweist auf Wodan oder Odin, den Allvater. Ich mag solche Spielereien, von denen es in diesem Buch einige gibt.
Neben der Haupthandlung werden in American Gods immer wieder kleine, eigentlich in sich abgeschlossene Geschichten eingebunden, die über die Entstehung bestimmter Gottheiten aufklären. Hierbei spielt religiöse Annexion eine große Rolle, wofür ich mich persönlich sowieso schon interessiere. Besonders die christliche Annexion von Opfermotiven wie bei Jesus Christus oder uminterpretierte Feiertage wie Ostern und Weihnachten finde ich spannend.
Mir gefällt die Offenheit, mit der Gaiman jeder Figur als Mensch, nicht als Schablone, Raum gibt, unabhängig von Herkunft, religiöser Zugehörigkeit oder Sexualität. Er schildert in einer alten Stammesgeschichte einen Transmann, meines Erachtens als augenzwinkernde Antwort auf das Motiv jener angeblich "seit Tausenden von Jahren existierenden Rollenbilder", auf die sich manche Leute so gern beziehen. Genauso glaubhaft und einfühlsam schildert er die Verzweiflung eines arabischen Geschäftsmannes, der nach einer Liebesnacht mit einem Ifrit dessen Job als Taxifahrer übernimmt und glücklich damit ist. American Gods ist manchmal wie eine Kurzgeschichtensammlung mit eingestreuten kleinen Essays. Ich mochte die Gedanken über Las Vegas und die menschliche Spielsucht. Ich mochte, was die Tramperin Sam in einem langen Monolog erzählt, woran sie alles glauben würde. Auch wenn es Hummeln nach aerodynamischen Gesetzen nicht unmöglich ist zu fliegen. Und auch wenn ein Frosch es natürlich merkt, wenn das Wasser zu heiß wird, und er nicht warten würde, bis er gekocht wurde. Lustigerweise habe ich dieselbe Story mit dem Frosch erst kürzlich in Stephen Kings Revival gelesen. Es scheint ein beliebtes Bild zu sein, so wenig es auch wahr ist. Das zeigt aber am besten, wie leicht Menschen (und Götter) einer Geschichte Glauben schenken können, wenn sie nur gut erzählt wurde. Und Gaimans Geschichte von der Götterdämmerung in Amerika ist sehr gut erzählt.
Mein letzter Absatz ist dem Umstand gewidmet, dass ich genau genommen dieses Buch nicht las, sondern anhörte. Ich habe mir das Hörbuch auf Spotify vorgenommen, gelesen von Stefan Kaminski. Und das hat mich echt überrascht.
Hätte ich American Gods bereits gelesen und würde es mögen, dann wäre es dennoch lohnenswert, sich das nochmal als Hörbuch zu Gemüte zu führen. Ich dachte anfangs, das wäre ein Hörspiel, kein Hörbuch, weil Stefan Kaminski seine Stimme so krass verstellen kann, dass man oftmals gar nicht glaubt, dass hier ein und dieselbe Person spricht. Das macht die einzelnen Charaktere sehr gut voneinander unterscheidbar. Nur zum Vergleich: als Synchronsprecher reichen seine bekanntesten Rollen vom Joker aus Suicide Squad bis hin zu Kermit dem Frosch. Das macht ziemlich gut deutlich, was für ein enormes Spektrum dieser Mann hat. Selbst die Frauen im Buch, bei denen man natürlich hört, dass sie von einem Mann gesprochen werden, wirken dennoch glaubhaft. Kaminski scheut sich nicht, auch bei Sexszenen alles zu geben und sich nicht zu genieren. Sämtliche Dialoge wirken lebhaft, leidenschaftlich und professionell, auch bei der späteren Sexszene zwischen zwei Männern. Wer die deutsche Synchronisation von Kizuna kennt, weiß, dass sich männliche Sprecher als Negativbeispiel auch ziemlich kindisch und unprofessionell anstellen können. Ich ziehe hier ehrlich meinen Hut vor Stefan Kaminski. Dass ich American Gods sehr genossen habe, liegt auch an seiner hervorragenden Leistung. Ich werde in Zukunft noch nach einigen anderen Hörbüchern von ihm Ausschau halten.

Dienstag, 18. Juni 2019

Von Vampiren, Rosen und Samen

Es ist mal wieder so weit, ich bin erneut in den Genuss einer Perle der Mangakunst gekommen, einer wunderschön romantischen Geschichte über die "Rose aller Rosen", die nur durch einen Vampir zum Blühen gebracht werden kann, ein kostbares Stück Liebreiz und Innovation.
The Vampire's Attraction
Vampirisches Verlangen!  
Minato ist auf der Highschool und arbeitet nebenher als Haushälter im Schloss von Henri Tepes. Der mysteriöse und dominante Hausherr ist nicht nur Minatos Freund und extrem eifersüchtig, er ist auch noch ein Vampir! Damit er ihn vor anderen Vampirclans beschützen kann, will Henri, dass sich Minato vollständig an ihn bindet. Doch Henris Besitzansprüche und Minatos normales Leben kommen sich dabei immer wieder in die Quere ...
Wow, "mysteriös und dominant" und dann noch "extrem eifersüchtig", das klingt doch schon mal total außerwöhnlich! Bereits der Klappentext und die Leseprobe von diesem Schmock romantischen Werk waren so aufregend, dass ich das einfach lesen musste.
Dieser Manga ist eine Fortsetzung von The Vampire's Irgendwas, worin es darum geht, wie Henri und Minato zusammenkommen, glaube ich. Gelesen habe ich das nicht, aber ich habe es auch nicht vermisst.
Schauen wir uns mal an, wie dieser Vertrag zwischen Vampir und "Rose" geschlossen wird.
... Okay?
Ein Mensch teilt mit einem Vampir sein Blut, schließt somit einen Vertrag und bekommt ein sexy Rosentattoo auf der Brust. Aber erst, wenn der Vampir seinen Samen in den anderen abgibt, wird dieser zu seiner echten "Rose". ... Mir fällt kein Kommentar ein, der diese Idee angemessen würdigt.
Das klingt schon mal alles wunderbar, doch jetzt brauchen wir ja noch einen Konflikt. Was könnte denn passieren? Minatos Beziehung zum besten Freund wird falsch interpretiert und Henri wird eifersüchtig? Oder ein Neuer taucht auf, der ihm Minato ausspannen könnte? Und dann kommt der Schwarm als Schüler oder Lehrer an die eigene Schule? Oder Minato will Henri eine Freude machen und dann entstehen Missverständnisse? Vielleicht verliert er irgendwas Wichtiges, das Henri ihm geschenkt hat, oder Minato wird von jemandem damit erpresst oder, oder ...?

Hervorragende Idee! Ein neuer (natürlich gutaussehender) Lehrer kommt an die Schule, der sofort großes Interesse an unserem Uke hat. Man beachte die Statistenmädels im Hintergrund, die begeistert rufen: "Sieht wie ein Halbeuropäer aus!" Denn Europäer und Halbeuropäer kommen in Mangas immer gut an. Wie man weiß, haben Protagonisten, die so aussehen, etwas ganz typisch Europäisches an sich, irgendwas zwischen einem groß gewachsenen blonden Schweden mit blauen Augen und einem braungebrannten Spanier mit dunklen Augen und Haaren.
Jetzt könnte Minato ja irgendwie stolpern oder sich verletzen, sodass der Lehrer ihn auf die Krankenstation bringen kann, oder es gibt sofort ein sexy Kabedon ...?

Umfallen aus Blutarmut, super, ein Klassiker! Jetzt muss aber auch auf der Krankenstation was passieren, am besten irgendwas Geheimnisvolles.

Oh, der Lehrer entdeckt sein Rosentattoo, wie spannend! "Versteck es lieber richtig. Das da könnte gesehen werden." Begleitet von einer Psst-Geste. <3 Minato muss aufpassen, denn sonst stürzen sich noch alle Vampire auf ihn und wollen ihren Samen in ihn abgeben! (Was lese ich hier eigentlich gerade ...?)
Und Minatos Konsequenz daraus?

Der Lehrer streicht ihm über die Brust, Minatos Hemd ist offen, die Rose sichtbar, er wird gewarnt, das besser zu verstecken, und Minato vermutet, der Lehrer habe trotzdem NICHTS gesehen? ... Hach, Minato ist ja so unschuldig!
Aber erstmal wieder Konflikt.

"Tu, was ich dir sage! Du gehst jedenfalls nicht mehr raus! Du bleibst hier, wo ich dich beschützen kann!" Was zieht besser als solche Vorschriften und Besitzansprüche, um zu zeigen, wie doll der Seme seinen Uke liebt?
Und dann ist Minato ja auch noch die "Rose aller Rosen", was auch immer das heißen soll. Dieses Rosenabbild auf seiner Brust kommt dann womöglich gar nicht von dem vorläufigen Vertrag mit Henri, sondern ist ein Alleinstellungsmerkmal von Minato, weil er so toll und einzigartig ist und jeder Vampir ihn besamen kann ... (Warum bekomme ich Kopfschmerzen davon?)
Jetzt könnte langsam mal wieder der Lehrer auftauchen.

Ach, da ist er ja. Eines Nachts ist er da und beschützt Minato. Das hätte ich jetzt nicht gedacht.
Minato hat aber nicht geschnallt, wer da vor ihm steht, denn es ist dunkel und der Lehrer trägt statt Brille ein Monokel und seine Haare verdecken das komplette Gesicht und bestimmt hat er auch eine ganz andere Stimme.

Tausend Mal gesehen; der passive, gutherzige Part benutzt ein bedrucktes Taschentuch oder ein Pflaster (meist auch bedruckt), um jemanden zu verarzten. Herzallerliebst. Kochen und Backen kann Minato sicher auch ganz prima. Nur beim Laufen hapert's.

Immer diese Objekte, die in meterbreiten Gängen so unvorteilhaft im Weg stehen, dass man gar nicht drumherum kommt. Glücklicherweise ist stets jemand zur Stelle, der einen auffängt. Man sollte niemals die Gelegenheit für ein Klischee verpassen.
Aber Henri hat ein ungutes Gefühl in letzter Zeit, irgendwas ist im Busch, da will ihm jemand bestimmt seinen Minato wegnehmen und ihn mit einem Samenspritzer zur "Rose" machen! Darum gibt es für ihn nur einen Weg.

Er wird selbst Lehrer an Minatos Schule. (Hatte ich die Idee nicht vorhin irgendwann?) Und auch er ist umringt von den typischen augenlosen Statistenmädchen, die ihn alle ausnahmslos anhimmeln.
Was kommt nun? Ach ja, ein Schulfest. Voll innovativ. Jetzt kann Minato mal mit seinen Fähigkeiten glänzen (abgesehen von normal geradeaus Laufen, versteht sich.)

War ja klar. Das sieht aus wie von einem Konditor, aber wahrscheinlich hat Minato das nur mal so eben zwischen den Pausen in der Schule gemacht. Und es ist nichts Besonderes, er hielt sich ja bloß ans Rezept und machte das zum ersten Mal und die anderen können das auch ganz leicht. Was kann er denn noch alles?

Nähen, natürlich. Minato ist einfach perfekt und sieht es nicht einmal selbst. Denn optisch ist er ja Durchschnitt und wer sollte an ihm schon Interesse haben? Daneben ist er so sanft und selbstlos und fasst alles als Zeichen seiner Durchschnittlichkeit auf.
... Ich bin zu alt für diesen Quatsch. Die vermutliche "Besamung" im zweiten Teil tue ich mir jedenfalls nicht mehr an.

Freitag, 31. Mai 2019

Aktion: Nachhaltigkeit und Umweltschutz

Diesmal hat es nichts mit Anime/Manga, Japan oder dem Schreiben zu tun, dennoch ist es ein Thema, das uns alle etwas angeht. Vom 30. Mai bis zum 5. Juni finden die Aktionstage für Nachhaltigkeit statt. Im Zuge der Weltkonferenz für Umwelt und Entwicklung 2012 in Brasilien rief der deutsche Nachhaltigkeitsrat zunächst nur den 5. Juni als Aktionstag ins Leben. Der Zeitraum wurde mittlerweile auf mehrere Tage ausgeweitet und soll mir Anlass sein, eine Weblog-Aktion dazu zu starten.
Aktionsende: 10. 06. 2019
Preisgeld: 50 KT
Aufgabe: Schreibe einen Blog über unsere Erde, über Klimawandel, Artensterben, Umweltverschmutzung oder mit positiver Sicht auf Nachhaltigkeit oder Naturschutz. Sammle zum Beispiel Tipps, diverse Internetseiten oder weise auf Aktionen hin, die anderen die Möglichkeit bieten, sich einzubringen. Oder stelle etwas vor, das du auf irgendeine Weise wiederverwendet hast. Das Thema ist weit interpretierbar. Verlinkt euren Beitrag bitte hier in den Kommentaren, damit ich ihn nicht übersehe.
Eine halbe Lösung biete ich nicht an, aber wenn ihr möchtet, könnt ihr euch auch bloß in den Kommentaren beteiligen mit:
Tipps zum Thema Nachhaltigkeit
1. Ich beginne mit einer Herzensangelegenheit von mir, da ich damit von frühester Kindheit an aufgewachsen bin: Bienen. Erwartet jetzt keinen Hinweis auf Bienenpatenschaften und Heimimkerei, denn dieser Hype hat leider nicht nur Gutes mit sich gebracht, ganz im Gegenteil. Es gibt bei uns keinen Imkerschein und viele Hobbyimker schaden eher, als dass sie helfen. Außerdem ist Imkerei in den meisten Fällen Massentierhaltung, nicht artgerecht und tatsächlich einer der Hauptgründe für das Sterben unserer heimischen Bienen. Das liegt daran, dass meist nur Honigbienen unterstützt werden, keine solitär lebenden Wildbienen, die für unsere Natur viel wichtiger sind. Auch Imkerverbände betreiben Lobbyarbeit. Finanzielle Unterstützung sollte daher besser an Naturschutzvereinen gehen, nicht an Imkervereine.
Wenn ihr selbst etwas tun wollt, zum Beispiel mit Nisthilfen, dann bedenkt bitte, dass man auch beim Bau von Insektenhotels einige Dinge falsch machen. Am wichtigsten zur Unterstützung von Bienen und anderen Insekten ist daher die Bereitstellung von Nahrung, also das Pflanzen einer Bienenweide, wenn man einen Garten hat, oder von entsprechenden Balkonpflanzen.
2. Müll vermeiden oder recyceln. Es gibt beispielsweise immer mehr Unverpackt-Lädchen, vielleicht auch in eurer Umgebung. Nicht immer kann man sich das leisten, aber auch kleine Entscheidungen helfen. Viele Cafés und Bäckereien bieten mittlerweile an, dass man seinen eigenen Becher mitbringt, damit spart man Geld und Müll.
Zur Wiederverwertung gibt es sogar ein paar künstlerische Recyclingvarianten. Hier ist eine, die mir mal in Japan begegnet ist und zeigt, was man mit Plastikflaschen machen kann:

Habt ihr auch so ein Beispiel? Dann postet doch ein Bild dazu in einem separaten Blog.
3. Den Müll richtig trennen. Das klingt ziemlich simpel, scheint für viele trotzdem ein Problem zu sein. Ich erlebe es selbst bei mir im Haus, dass zu gewissen Zeiten Plastikmüllsäcke voller Papierschnipsel und der nächste Sack voll mit Gummihandschuhen und Plastikflaschen der Einfachheit halber in der schwarzen Tonne landen. Insofern möglich, nutzt mehr die Biotonne. Aus diesen Abfällen kann Erdgas gewonnen werden.
Batterien und Glühbirnen gehören nicht in den Hausmüll. Beim Kaufland beispielsweise gibt es dafür Einwurfstellen.
4. Zum Putzen muss es nicht der teure Allzweckreiniger oder ein chemisches Gemisch benutzt werden. In den meisten Fällen reichen Essigreiniger, Zitronensäure oder Feuerzeugbenzin bzw. Brennspiritus. Natron als vielseitiges Mittel sollte auch im Haushalt vorhanden sein. Diese einfachen Hausmittelchen sind günstiger, meist effektiver und umweltschonender.
5. Ausgelaufene Batterien müssen nicht das Ende für ein Gerät bedeuten. Mit Essig oder Alkohol lassen sich die Kontakte vielleicht noch retten. Bloß Vorsicht, dass man Handschuhe benutzt und den ausgelaufenen kristallinen Rest nicht an die Haut bekommt; das lässt sich allerdings gut mit Wasser und Seife abwaschen.
6. Defekte Handys können möglicherweise repariert werden. Auf kaputt.de findet man Tipps dazu. Auch sonst gibt es zum Beispiel Reparaturcafés bzw. Repair Cafés.
7. Falls ihr noch irgendwo alte Handys habt, lasst sie nicht rumliegen. Diese Handys besitzen nämlich ein erhebliches Rohstoffpotenzial: Kupfer, Silber, Palladium, Gold. Falls möglich, sollte das Handy nun den richtigen Weg gehen. In meiner Umgebung gibt es beispielsweise das Projekt "HandYcap". Mit Unterstützung der Stadt wurden Sammelbehälter aufgestellt, um die alten Handys von Menschen mit Behinderung auseinandernehmen zu lassen und sie der Verwertung bzw. umweltgerechten Entsorgung zukommen zu lassen.

Ich hoffe auf viele Ergänzungen zu dieser Liste und interessante Blogs zum Thema.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Dienstag, 21. Mai 2019

Behinderung im Manga: Akuma to Love Song

Originaltitel: 悪魔とラブソング Akuma to Love Song
Mangaka: Miyoshi Tomori
Genre: Shojo
Bände: 13 (abgeschlossen)
Zu dem Thema meiner Weblogaktion Behinderung im Manga/Anime beteilige ich mich mit einem eigenen Beitrag, der etwas aus dem Rahmen fällt, von dem ich aber denke, dass niemand sonst über diesen Manga etwas schreiben würde, weil er erstens recht unbekannt ist und zweitens die Behinderung nur äußerst peripher behandelt.
Akuma to Love Song

Worum geht es?
Maria ist eine Schönheit, gut in der Schule und außerdem eine beachtliche Sängerin. Dennoch wurde sie aus ihrer noblen Mädchenschule hinausgeworfen, weil sie einem Lehrer gegenüber tätlich geworden sein soll. Anders als vermutet hat sie ein ungezügeltes Mundwerk, ist absolut nicht schüchtern und eckt ständig überall an. Auch in ihrer neuen Schule macht sie sich damit nicht gleich Freunde.
Akuma to Love Song ist ein typischer Shojo mit nicht ganz so typischen Aspekten. Typisch sind Grundhandlung und Themen: Ein Mädchen kommt neu an die Schule, es gibt Probleme mit den anderen Schülern, man rauft sich zusammen, es geht um Freundschaft und es gibt eine Liebesgeschichte. Weniger typisch ist die Persönlichkeit von Maria. In Shojo-Mangas geht es oft um ein durchschnittliches, tollpatschiges, liebenswürdiges Mädchen, für das sich komischerweise der heißeste Schwarm der Schule zu interessieren beginnt. Maria hingegen ist alles andere als durchschnittlich und anders als andere Shojo-Heldinnen ist sie nicht zurückhaltend oder lässt alles mit sich machen. Stattdessen wehrt sie sich sofort gegen jegliche Angriffe.
Das zweite Thema des Mangas ist die Musik bzw. das Singen. Und hier kommen wir zum eigentlichen Part der körperlichen Einschränkung eines Nebencharakters, worum es mir gehen soll.
Im vierten Band erzählt Maria von ihrer Vergangenheit an der Mädchenschule. Dort hatte sie sich mit Anna angefreundet und mit ihr gemeinsam gesungen. Doch dann verlor Anna wegen einer Krankheit ihre Stimme und war fortan stumm, ohne Aussicht auf Heilung.
Wie wird das Thema Behinderung behandelt?
Stumm zu sein ist wohl nicht das klassische Beispiel, das einem beim Thema Behinderung zuerst einfällt. Ich mutmaße, dass es sich dabei um keine so starke Einschränkung handelt wie taub oder blind zu sein oder im Rollstuhl zu sitzen. Es gibt oftmals psychosomatische Sprachschwierigkeiten, die wieder vergehen oder kompensiert werden können.
In diesem Fall ist mein erster Kritikpunkt an Akuma to Love Song, dass die Behinderung Annas nie wirklich erklärt wird. Sie hat ihre Stimme halt durch eine Krankheit verloren. Soweit ich mich erinnere, steht keine Geschichte dahinter und keine realistische Bearbeitung die mehr als ein Mittel zum Zweck ist, um ein Gegenbild zum Singen zu entwerfen. Wir erfahren keine detaillierte Erklärung und keine gesonderte Form von Therapie. Mir gefällt es besser, wenn hinter einem solchen Thema mehr Recherche steht, anstatt Figuren mit mysteriösen Krankheiten auszustatten.
An Akuma to Love Song finde ich jedoch die emotionale, zwischenmenschliche Seite sehr schön dargestellt.

Anna liebte das Singen, daher treibt sie ihre Einschränkung beinahe zum Selbstmord. Sie kann sich nicht mehr so leicht verständigen und wird anderen zur Last, doch vor allem das Singen, mit dem sie ihre Gefühle ausdrücken konnte, wird ihr genommen. Darunter leidet sie am meisten. Maria versucht zwar ihr zu helfen und sozusagen "ihre Stimme zu sein", aber damit schränkt sie Anna noch mehr ein, macht ihr das Fehlen ihrer eigenen Stimme noch bewusster.
Ein weiterer Aspekt, der genauso positiv wie negativ aufgefasst werden kann, ist die tendenziell negative Auflösung der Problematik. Anna schafft es schließlich, die gespielt fröhliche Maske abzulegen und Maria mitzuteilen, dass deren Hilfe für sie eher schmerzhaft ist. Wenn man in einer solchen Lage ist, dann nehmen einige Leute vielleicht zu viel Rücksicht und versuchen einem alles abzunehmen. Gegen die eigentliche Behinderung kann man jedoch nichts machen. Sie bleibt bestehen und man muss selbst lernen, damit umzugehen und glücklich zu sein.
Was Behinderung bedeutet, ist Ansichtssache. Fühlen wir uns durch körperliche Einschränkung behindert? Oder behindert und vielmehr die Gesellschaft, weil sie nicht auf unsere Besonderheiten eingeht, während wir selbst mit der vermeintlichen Einschränkung eigentlich gut klarkommen? Anna mag durch ihre Stummheit nicht so stark beeinträchtigt sein. Sie kann sich mit geschriebenen Zetteln ganz gut verständigen. Doch sie hat noch nicht akzeptiert, dass sie nicht mehr singen kann. Zwar kann sie am Ende ehrlich zugeben, wie belastend das wirklich für sie ist, aber das befreit sie nicht automatisch von der psychischen Belastung. Sie zieht schließlich aus der Stadt weg und lässt Maria zurück. Einerseits könnte man das als unkomplizierten Weg betrachten, dieses Thema mit einem plötzlichen Schnitt einfach zu beenden, zumindest aus Marias Sicht. Andererseits wirkt es realistisch, weil es am Schluss eben nicht immer die blumige Auflösung gibt und man als Außenstehender nur bedingt helfen kann.

Freitag, 3. Mai 2019

Aktion: Manga/Anime über Behinderung

Passend zum bevorstehenden 5. Mai, dem Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung, starte ich eine neue Aktion zu genau diesem Thema.
Aufgabe: Stelle in einem separaten Blogeintrag einen Manga oder Anime vor, in welchem es um Behinderung geht oder eine beeinträchtigte Person vorkommt.
Die Definition mag breit gefächert sein. Klassische Beispiele, die mir auf Anhieb aus verschiedenen Serien einfallen, wären Gehörlosigkeit, Sehbehinderung oder Querschnittslähmung. Das Medium kann das Thema Behinderung in den Fokus rücken, muss es aber nicht. Ich möchte, dass ihr kurz zusammenfasst, worum es in dem Manga/Anime geht, und dann euer Augenmerk darauf lenkt, wie die Beeinträchtigung behandelt wird. Bitte keine Scheu oder Berührungsängste, es geht in erster Linie um euer persönliches Empfinden. Ihr könnt etwas auswählen, das ihr lehrreich oder bewegend fandet. Ihr könnte aber auch ruhig etwas nehmen, bei dem ihr dieses Thema überhaupt nicht gut eingebunden fandet und erklären möchtet, warum.
Falls gewünscht, kann diese Maske benutzt werden:Titel
Autor/Studio
Genre
Bände/Folgen (abgeschlossen?)
Worum geht es?
Wie wird das Thema Behinderung behandelt?
Wie bei meinen anderen Aktionen gibt es auch hier eine halbe Variante, wenn ihr keinen Manga oder Anime nehmt, sondern zum Beispiel ein Buch, einen Film oder einen amerikanischen Comic usw.
Verlinkt euren Beitrag bitte hier in den Kommentaren, damit ich ihn nicht übersehe.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.