Montag, 28. Dezember 2020

Best of 2020

Medialer Jahresrückblick

Videospiel


Nachdem ich lange Zeit nicht mehr wirklich etwas gezockt hatte und davor auch nur Games, die ich bereits kannte (einige Teile von Silent Hill und Metal Gear Solid), bekam ich dieses Jahr zum Geburtstag von meiner Freundin:

Zelda: Breath of the Wild

Von der Zelda-Reihe kenne ich bei weitem nicht alles. Mein Einstand jedoch war "Link's Awakening" auf dem Gameboy, welches damals komplett meine Sicht auf Videospiele und deren Anforderungen veränderte. Ich mochte auch die "Oracle"-Teile, "Ocarina of Time" oder "Twilight Princess", aber irgendwie musste sich immer alles an "Link's Awakening" messen lassen. Bis jetzt.
Ich will nicht behaupten, dass "Breath of the Wild" eine bessere Handlung oder Atmosphäre hätte (obwohl ich das Augenmerk auf die Probleme von Prinzessin Zelda im Gegensatz zu ihrer sonstigen Unnahbarkeit sehr mochte). Außerdem hasse ich Open Worlds, weil ich mich darin ständig verzettle. Für mich als Explorer-Spielertyp, der eher im Bereich Horror und Stealth unterwegs ist und in jede Ecke klickt, ist das natürlich ein Schreckensszenario. Dennoch habe ich mich sofort in BotW verliebt. Die Handhabung ist superleicht, endlich kann man selbstständig rennen, springen und klettern. Es macht Spaß und man kann dadurch auf Anhieb in die sehr detailliert gestaltete Welt um Hyrule eintauchen. Was ich schließlich auch zwei ganze Monate lang mit um die 700 Spielstunden getan habe. Manchmal habe ich einfach nur Link an einer heißen Quelle in Eis und Schnee vor einem Feuer hocken lassen oder in einem Pferdestall bei Nacht auf das Ende eines Gewitters gewartet oder auf einem Berg am Morgen die aufgehende Sonne betrachtet. Um die Realität zu vergessen, ist das Spiel ideal, darum werde ich dieses Jahr in Zukunft wohl unweigerlich mit "Breath of the Wild" verbinden.


Anime


Mir kommt es so vor, als hätte ich in diesem Jahr eher schlechte als gute Anime gesehen. Seit Ewigkeiten quäle ich mich durch "Code Geass" durch, obwohl die Serie so gute Bewertungen von allen Seiten bekam und genau in mein Beuteschema fallen müsste (Gedankenkontrolle, Thriller, Mechas und der Vergleich mit Death Note). Ich wollte sie wirklich, wirklich mögen, aber jetzt treibe ich mich nur noch dazu an, die letzten zehn Folgen der zweiten Staffel vor Jahresende durchzupeitschen.

Was ich dieses Jahr aber wirklich durchgesuchtet habe, wenngleich das nicht für Qualität steht, das war:

Dragon Ball Super

Sicherlich spielt bei Dragon Ball ein Stück weit Nostalgie mit rein, immerhin bin ich damit in meiner Schulzeit aufgewachsen und habe Dragon Ball Z nach dem Erwerb der deutschen Serie schon zweimal komplett angeschaut. Wenn ich Sterne verteilen müsste, würde ich dem nur 2 oder maximal 3 von 5 Sternen geben, weil an Dragon Ball nichts wirklich gut ist mit seinen immer gleichen Handlungsabläufen und dem Übertreffen der Superlative von Superlativen über 9000. Dragon Ball Super ist da nicht viel anders. Tatsächlich mochte ich die Fortsetzung am Anfang absolut nicht. Nach dem zweifachen und dreifachen Super Saiyajin folgt jetzt noch ein Super Saiyajin Gott? Hinzu kam, dass ich es auf Japanisch schaute und mich mit einem der seltenen Fälle konfrontiert sah, die Originalsynchro im Gegensatz zur deutschen richtig grottig zu finden. Das liegt nicht nur an der tollen Stimme von Tommy Morgenstern. Was an der Synchro von Masako Nozawa so legendär sein soll, habe ich eh nie begriffen. Es ist für mich einfach eine ganz schlechte Wahl, die von einer Frau gesprochene Kinderstimme von Son Goku auch für den erwachsenen Mann zu verwenden und diese noch dazu bei seinen Söhnen zu recyceln. Nozawas verstellte Stimme klingt wie von einer Oma und hätte eher zu Uranai Baba gepasst. Das war ziemlich nervig. Auch Meister Kaio war grässlich gesprochen und Vegeta ging so. Jedenfalls habe ich mich an all das mit der Zeit gewöhnt und war schließlich wieder völlig von den Charakteren und dem bescheuerten Humor vereinnahmt. Dragon Ball ist für mich einfach Kult.

Sollte ich dagegen einen Anime von diesem Jahr nennen, den ich unter Vorbehalt empfehlen kann, wäre es:

Pet


Das ist wirklich ein aktueller Anime, er ist dieses Jahr erschienen, allerdings zu einer fünfbändigen Mangaserie von 2002. Es ist ein surrealer Thriller, der mit Traum und Realität spielt und eine ähnliche Idee aufgreift wie Inception. Wir kamen darauf, wie so oft, durch die japanischen Synchronsprecher, denn die Hauptrolle wurde von Taniyama Kishou übernommen. Es wäre schön, wenn der Anime hier bei uns in deutscher Synchro erscheinen würde, vielleicht sogar gefolgt vom Manga, obwohl ich das für wenig wahrscheinlich halte.


Manga


Gar nicht so einfach, hier etwas zu finden, denn ich lese ziemlich viele Mangas über das Jahr verteilt und nicht wenige davon sind fortgesetzte Serien, wie zum Beispiel "The Promised Neverland" oder "Barakamon". Also beginnen wir mit dem, was wirklich 2020 erstmals veröffentlicht wurde:

Savage Season

Eines meiner Highlights, das Anfang dieses Jahres bei Tokyopop erschien. Ein Manga über Pubertät und japanische Literatur. Komische Mischung? Das trifft es aber ziemlich genau. Ich habe ein Faible für japanische Klassiker - Dazai, Inoue, Kawabata, Soseki - doch hierzulande sind diese Autoren leider eher unbekannt. (Na ja, Dazai vielleicht ausgenommen.) Die Hauptfiguren von "Savage Season" sind ein paar Schulmädchen, die in ihrem Literaturclub diese Autoren für sich entdecken. Und mit ihnen auch die anzüglichen Themen wie etwa ... "Ess-ee-kreuz". Anders gesagt: Sex. Und da wären wir bei der Pubertät angelangt.
Solange man keinen Smut-Manga wie "Unwiderstehlicher S" zur Hand nimmt, handeln die meisten Shojos eher von seichten Gefühlen und thematisieren sexuelle Annäherungen meist von Seiten des männlichen Parts, als würden die Mädchen so etwas kaum empfinden und sich lieber keusch zur Wehr setzen, bevor sie nachgeben. Das hat sicher auch etwas mit dem japanischen Idealbild der Mädchen/Frauen zu tun. Mir gefallen aber eher Mangas wie "Scum's Wish", "Love & Lies" oder eben "Savage Season", in denen auch Mädchen sich über die Liebe in all ihren Facetten Gedanken machen und sich dadurch ab und zu ziemlich bescheuert pubertär verhalten.

Ein weiteres Highlight:

Koimonogatari - Love Stories

Das ist ein ... Boys Love? Ich bin mir da nicht mal sicher. Es geht um homosexuelle Liebe, aber die Aufarbeitung der gesamten Problematik erinnert eher an Slice-of-Life-Mangas wie "Der Mann meines Bruders", "Wer bist du zur blauen Stunde?" oder "Blue Flag". Die Geschichte wird zu Beginn aus der Sicht eines Jungen erzählt, der bemerkt, dass sein Mitschüler offenbar schwul ist und auf seinen besten Freund steht. Es geht um Vorurteile, Bewältigungsstrategien und um Freundschaft. Wie auch immer sich das noch entwickelt, aber genauso wenig wie "Savage Season" ein 08/15-Shojo ist, scheint "Koimonogatari" nicht in die Sparte der üblichen BLs zu fallen, auch wenn er von außen erst mal so wirkt.

Bezeichnend für dieses Jahr ist zumindest für mich noch:

Assassination Classroom

Mit den ersten Bänden habe ich zwar schon letztes Jahr angefangen, aber die restlichen erst Anfang 2020 in einem Rutsch weggelesen und danach die Animeserie, obwohl ich die nicht so gut wie den Manga finde. Jedenfalls hat mich "Assassination Classroom" positiv überrascht. Ich holte die Serie, weil ich ein bisschen an Battle Royale denken musste und neugierig war, außerdem ist sie für einen Shonen nicht so lang. Was mich dann erwartete, war ein ... Lern-Ganbatte? Ich hätte nicht gedacht, dass man das Thema Lernen auf so interessante Weise gestalten kann. In der Hinsicht hat es mich manchmal an "Bakuman" erinnert. Es ist aber auch Slice of Life, Humor und Thriller, also insgesamt eine wirre Mischung, die für mich völlig funktionierte. Mir gefiel auch die Lebensphilosophie, die Matsui-sensei häufig vermitteln wollte. Zum Beispiel, dass es in der Welt nicht um ausgleichende Gerechtigkeit geht, denn das Leben ist nicht fair. Dass man seinen Stolz nicht verliert, auch wenn man sich in die Gesellschaft fügen und sich manchmal vor der Obrigkeit beugen muss. Oder dass es für jemanden mit überragendem Talent wichtig ist, an seiner eigenen Arroganz zu scheitern und früh Rückschläge einzustecken, um an ihnen zu wachsen. Das hat mich an meine Schulzeit erinnert. Ich hätte mir damals einen Lehrer wie Korosensei gewünscht.

Ansonsten gab es noch:

Tokyo Girls - Was wäre wenn...?

Ein erschreckend realistischer Manga über das Liebesleben, die Sorgen und Ängste von Frauen bzw. Menschen über 30. Selbst im Genre Josei dürfte das etwas sein, das lediglich eine Nische bedient und nicht von vielen in Deutschland gelesen werden wird. "Tokyo Girls" ist, bis auf das Ende, oft unangenehm düster und realitätsnah, obwohl es eigentlich viel Humor beinhaltet. Sehr interessant fand ich daran außerdem das umfassende Nachwort, in dem Briefe japanischer Frauen veröffentlicht wurden, die um Hilfe bei der Mangaka ersuchten, zudem hat die deutsche Übersetzerin noch einige Erklärungen zur japanischen Mentalität auf mehreren Seiten in jedem Band hinzugefügt.


Bücher


Zum jetzigen Zeitpunkt bin ich bei 44 Büchern für dieses Jahr, darum ist es nicht so einfach, etwas auszuwählen. Ich beschränke mich auf ein paar.

"Der große Gatsby" von F. Scott Fitzgerald

Einer der Klassiker auf meiner To-read-Liste, der mich nicht enttäuschte. Mittlerweile auf meiner Beliebtheitsliste an Literatur sehr weit oben.

"Der Fremde" von Albert Camus

Dieses Buch habe ich jetzt zum dritten Mal gelesen bzw. diesmal über Spotify angehört. Ich wusste, dass ich es mochte, aber ich habe die Handlung jedes Mal wieder vergessen. Doch 2020 scheint mir "Der Fremde" endlich nicht mehr nach kurzer Zeit fremd zu sein.

"Von Mäusen und Menschen" von John Steinbeck

Ein kleines überraschendes Highlight, das ich auf Arbeit hörte. Es ist ein Klassiker und viele wissen schon vor dem Lesen, worum es geht, doch glücklicherweise war ich völlig unvoreingenommen und kannte nichts von der Handlung, daher hat es mich gegen Ende sehr berührt, was sicherlich auch an der Lesestimme lag.

"Krieg und Frieden" von Leo Tolstoi

Stand auch auf meiner Klassiker-to-read-Liste. Dieses Buch ist furchtbar. Absolut zäh, aber teilweise auch so absurd komisch, dass ich es hier aufzählen muss. Mann, war das langweilig. Da ich derzeit allerdings mit "Anna Karenina" weitergemacht habe, bin ich fast schon wieder begeistert davon, wie viel besser "Krieg und Frieden" ist. Beides kann einen wegen seiner Langweiligkeit in eine hysterische Verfassung versetzen.

Gedichte von Nakahara Chuuya

 

Viel gibt es von ihm leider nicht und lediglich auf Englisch, aber ich liebe seine Gedichte. Ich wünschte, ich könnte so gut Japanisch, um die Melodie seiner Worte zu genießen.


Filme


Ningen Shikakku / The Fallen Angel

Ein Film über Dazai Osamu, der sehr schöne Szenenbilder nutzt und zudem Nakahara Chuuya viel Platz einräumt. Ich kann verstehen, dass das als Inspirationsquelle für die Darstellung dieser beiden Autoren in Bungo Stray Dogs diente.

Ningen Shikakku / No longer Human

Noch ein Film über Dazai, diesmal aus dem letzten Jahr. Auch den fand ich sehr gut gemacht und stellenweise echt witzig, beispielsweise die Seitenhiebe auf Shiga Naoya.

Der Fall Collini

Wer hätte gedacht, dass Elyas M'Barek so eine Rolle spielen kann? Ein Anwalt vertritt den pensionierten Gastarbeiter Collini, der scheinbar völlig grundlos einen Industriellen erschossen hat. Die Aufdeckung des Falls führt bis zurück ins Dritte Reich. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Ferdinand von Schirach.

Extremely Wicked​, Shockingly Evil and Vile

Wer hätte gedacht, dass Zac Efron so eine Rolle spielen kann? Tja, ich jedenfalls schon. Als damals ein Remake von Death Note aus amerikanischer Feder im Gespräch war, hätte ich für Zac Efron in Lights Rolle plädiert, weil er ein Saubermann-Image ausstrahlt, dahinter jedoch düster und zwiespältig sein kann. Leider ist das nicht passiert, stattdessen kam so ein Geschwür von Death-Note-Adaption heraus, aber reden wir nicht davon. Sprechen wir lieber über "Extremely Wicked", einen Film, bei dem man sich glücklicherweise für Efron entschied, um die Rolle des Ted Bundy zu besetzen. Jeder hat diesen Namen schon mal gehört, er ist einer der bekanntesten Serienkiller. Der Film setzt meines Erachtens ausgezeichnet, abgesehen von ein paar Freiheiten, die Tatsachen zu Bundys Fall getreu den Ereignissen um und macht vor allem nachvollziehbar, warum so viele Frauen sich von seinem Charme einnehmen ließen und sogar seine Freundin lange Zeit von seiner Unschuld überzeugt war.


Musik


Faber



Letztes Jahr entdeckt und auch sein neues Album "I Fucking Love My Life" läuft bei mir in der Schleife.

Dienstag, 17. März 2020

Die letzten ihrer Art [Teil 3]

Douglas Adams und Mark Cawardine
Die letzten ihrer Art
Eine Reise zu den aussterbenden Tieren unserer Erde
Ursprünglich wollte ich zu diesem Buch nur einen einzigen, möglichst kurzen Blogeintrag verfassen, doch am Ende ist das hier ganz schön ausgeartet. Nach dem ersten und zweiten Teil folgt nun der dritte und wirklich letzte Part einer Rezension, die schon lange keine mehr ist.
Eine abschließende unglaubliche und glücklicherweise positive Geschichte, von der Adams erzählt, betrifft kein Tier, sondern eine Pflanze: den Ramosmania rodriguesi oder auch Café Marron. Diesen Strauch hielt man für ausgestorben, bis ein Junge auf Rodriques zufällig einen Zweig davon in die Schule brachte. Er stammte von dem einzigen verbliebenen Exemplar dieser Pflanze.
Mit aussterbenden Pflanzenarten könnte man gleichermaßen mehrere Bücher füllen, doch obwohl es Adams und Cawardine nur um Fauna, nicht um Flora ging, so finde ich die Erwähnung des Ramosmania rodriguesi sehr bezeichnend. Diese Kaffeepflanze fristete unter recht schlechten Bedingungen irgendwo in der Wildnis ein einsames Dasein, war über die Jahre jedoch unbehelligt geblieben. Nach ihrer Entdeckung zog man um den kleinen Baum einen Stacheldrahtzaun, um ihn vor Ziegen u. ä. zu schützen. Das war vielleicht ein Fehler, denn seit dieser Maßnahme war der Café Marron tatsächlich ernsthaft bedroht. Was auf solche Weise gehütet wurde, musste wertvoll sein, das schienen die Leute zu glauben. Als letzter seiner Art war der Baum für die Wissenschaft durchaus bedeutsam. Doch wurden ihm nach seinem Bekanntwerden von den Bewohnern der Insel auch zahlreiche heilende Fähigkeiten angedichtet. Immer mehr Leute interessierten sich für den Baum und schnitten Äste davon ab, was ihn beinahe getötet hätte. Man errichtete einen weiteren Stacheldrahtzaun und noch einen und noch einen, dann setzte man einen Wächter davor.
Heute ist der Baum noch immer vom Aussterben bedroht, aber bei einem Ableger in London gelang es, die Pflanze zu befruchten, damit sie vermehrt werden kann und sich nicht mehr nur selbst reproduziert. So weit ein Happy End. Bemerkenswert, und das nicht in guter Hinsicht, ist aber der Umstand, dass der Ramosmania rodriguesi erst wirklich bedroht war, als man sich um seinen Schutz bemühte.
Das liegt nun im Bereich meiner Spekulation, aber ich glaube, die Einzigartigkeit der Pflanze und dieser Zaun zum Schutz haben den Baum zu etwas Begehrenswertem gemacht.
Ein ähnliches Problem sehe ich bei Nashörnern und anderen Tieren, die wegen irgendeines Körperteils gejagt werden, um daraus Schmuck oder eine absurde chinesische Medizin zu machen. Soweit ich weiß, werden beschlagnahmte Stoßzähne und ähnliches zerstört oder eingelagert. 2016 wurden in Kenia über 100 Tonnen Elfenbein verbrannt, um ein Zeichen zu setzen. Ich halte dieses Vorgehen für falsch. Damals hätte ich noch gesagt, man solle das Zeug für einen Spottpreis auf den Markt werfen, damit sich jeder Trottel so etwas kaufen kann. 100 Tonnen, das ist eine ganze Menge. Indem man es verbrennt, steigt es nur in seinem Wert, und genau das finde ich daran verkehrt.
Solch eine Ansicht ist allerdings nicht neu, sie wird von einigen Tierschützern vertreten, kann aber heute nicht mehr so einfach als Antwort herhalten. In den 80er Jahren haben in Afrika vor allem Milizen die Tiere gewildert, um den Bürgerkrieg zu finanzieren. Danach erholte sich der Bestand. In Südafrika errichtete der Millionär John Hume sogar eine Nashornfarm, um das Horn zu "ernten" und auf den Markt zu bringen. Er war der Ansicht, ein regulierter Markt müsse das Problem lösen, ähnlich wie bei Drogen eine Regulation mehr Erfolg bringt als ein Verbot. John Humes Farm ist mittlerweile pleite. Er konnte aufgrund von Restriktionen offenbar kein einziges Horn verkaufen. So gut die Idee auch wäre, so sehr scheitert sie doch an einer Realität, in der sich jeglicher Handel in der Hand des organisierten Verbrechens befindet. Ohnehin war vielen Tierschutzorganisationen seine Farm ein Dorn im Auge. Sie befürchteten, er würde den Markt erst recht befeuern, anstatt ihn einzudämmen. Damit Hume sein Horn überhaupt verkaufen durfte, mussten Sonderregelungen eingeführt werden, die einen Handel mit Rhinohorn, welches nicht aus Wilderei stammte, zuließen. Eine solche Unterscheidung lässt sich in der Praxis aber kaum vornehmen und würde letztlich auch den Wilderern in die Hände spielen. Doch selbst wenn es möglich wäre, stellt das schon lange keine Lösung mehr dar. Die Nachfrage heutzutage geht größtenteils von einer sich entwickelnden reichen Mittel- und Oberschicht in China und Vietnam aus; zum Beispiel Rhinohorn als Potenzmittel, Pangolinschuppen als Medizin oder Elfenbein als Schmuck und allgemeine Kapitalanlage. Mit wachsendem Wohlstand können sich das immer mehr Leute leisten. Kein Bestand auf einem wie auch immer regulierten Markt könnte dieser Nachfrage gerecht werden.
Warum bedenkt der Markt nicht, dass seine Quelle irgendwann versiegt sein könnte, sobald die Tiere aussterben? Einerseits lässt sich das mit kapitalistischem Egoismus und Ignoranz erklären. Im afrikanischen Wildschutz ist Korruption ein großes Problem. Zudem leidet das Volk vielerorts unter Hunger und Armut. Wer um seine Existenz fürchtet, kümmert sich nicht um Arterhaltung. Das lässt sich schwer ändern, solange das tote Tier mehr wert ist als das lebendige. Andererseits ist die Ausrottung einer Tierart für den Konsumenten nicht zwangsläufig schädlich, zumindest nicht für jene, die darin eine Kapitalanlage sehen. Anders formuliert: Man legt sein Geld in Elfenbein an und spekuliert auf das Aussterben der Elefanten. Aufklärung nützt wenig, wenn auf Seiten des Abnehmers ein solches Kalkül dahintersteckt oder es für die traditionelle Medizin keine Rolle spielt, ob man statt der Einnahme von Pulver aus Rhinohorn oder Pangolinschuppen auch einfach an seinen Fingernägeln kauen könnte.
Angesichts dieser Situation ist es für Tierschutzorganisationen schwer, überhaupt etwas zu unternehmen; als wollte man ein brennendes Haus mit einem Fingerhut voll Wasser löschen. Nicht immer sind Entscheidungen, die dabei getroffen werden, richtig. Tiere zum Schutz in Gefangenschaft zu halten und ihnen die Hörner zu stutzen, wird als Vorgehen schnell in Frage gestellt. Manchmal gelingt eine Rettung einzig durch Umsiedlung oder Isolierung. Bei den im vorigen Beitrag erwähnten Vaquitas, den kalifornischen Schweinswalen, endete der Versuch des Einfangens katastrophal. Das erste Tier musste aufgrund seiner Panik sofort wieder freigelassen werden, das zweite verendete am Stress. Dem kleinen Wal kann vermutlich nicht mehr geholfen werden. Die Ursachen sind in vielen Fällen ähnlich: Umweltverschmutzung, Verlust des Habitats, Eindringen exotischer Arten. Das sind durch den Menschen indirekt verursachte Gründe. Hinzu kommt übermäßige Bejagung oder Beifang als direkte Ursache. Tierschutz kann hier noch immer greifen, aber er scheitert fast vollständig, wenn er auf eine stets wiederkehrende Kombination an Faktoren stößt: nämlich erstens dann, wenn es um ein lukratives Lebewesen geht, und zweitens in einem Land mit armer Bevölkerung und versagenden staatlichen Einrichtungen. Wenn sich hier politisch nichts ändert, womit auch Restriktionen im Abnehmerland gemeint sind, dann bleibt Tierschützern nichts weiter übrig, als einzeln illegale Netze zu entfernen usw., also den Brand mit einem Fingerhut zu löschen. Teilweise kann das Eingreifen solcher Organisationen sogar kontraproduktiv sein, wenn etwa öffentliche Anklagen die Bevölkerung treffen und außer Acht lassen, dass ihnen manchmal keine andere Wahl bleibt. So verhärten sich die Fronten. Schuld ist irgendwie jeder und niemand. Das Zusammenspiel der Ursachen gestaltet sich stets sehr komplex, wie das Beispiel des Vaquitas deutlich zeigt.
Die amerikanische Biologin Rachel Carson schrieb 1962 das Buch "Der stumme Frühling", worin sie auf die Auswirkungen des Pestizids DDT aufmerksam machte, durch das nicht nur Schädlinge umgekommen waren, sondern auch zahlreiche Singvögel. Es ist nicht erst ein Thema seit gestern. Auf verschiedene Weise nimmt der Mensch immer Einfluss auf die Natur, er kann Tierarten ausrotten, er kann sie retten und schützen und einigen verhilft er sogar zur Existenz. Etliche domestizierte Arten würden sonst heute nicht existieren. Es gibt Tiere, die sich an das Stadtleben anpassen, neue Arten, die dadurch entstehen; Tiere, die mit dem Menschen reisen, am bekanntesten hierfür sind Spatz und Taube. Tierschutzorganisationen sind ständig dazu genötigt, darüber zu entscheiden, welche Art gerettet werden sollte und welche nicht. Woran macht man das fest? Am Nutzen, den diese Tiere vermeintlich haben, zum Beispiel Wildbienen und andere Bestäuberinsekten für unsere Landwirtschaft? Oder das Axolotl für unsere Forschung? Oder das Aye-Aye, weil es so viele besondere Eigenschaften hat? Oder den Café Marron, weil es der letzte ist? Oder den Kakapo, weil er so ein ulkiger Vogel ist?Die Liste der mittlerweile vermutlich ausgestorbenen Tiere scheint endlos. Das Breitmaulnashorn und der Jangtse-Delfin, die im Bericht von Douglas Adams vorkommen, sind praktisch ausgestorben. Vom Pyrenäensteinbock starb das letzte Exemplar 2000; zwar wurde dieser Steinbock 2009 als erstes Tier durch Klonen zurückgebracht, starb jedoch nach wenigen Minuten. Die Hawaiikrähe oder der Spix-Ara sind in freier Wildbahn ausgelöscht. Von den 15 Unterarten der Galapagos-Riesenschildkröte sind 5 bereits ausgerottet, die anderen stehen unter Artenschutz. Als ausgestorben gelten die Goldkröte, der Java-Tiger, der Delacour-Zwergtaucher, der Tecopa-Kärpfling, der Sansibar-Leopard, die Karibische Mönchsrobbe, der Elfenbeinspecht, der Weißwangen-Kleidervogel, der Madeira-Kohlweißling ... Es ist völliger Quatsch, hier so eine Liste anzufangen, um das Massensterben von Tierarten deutlich zu machen. Es sollen jährlich mindestens 20 000 Arten sterben. Manche Schätzungen gehen von 60 000 aus.
Nun lautet die Frage, die sich wahrscheinlich nicht viele, aber doch einige stellen: Wozu soll man sich darum kümmern? Was wäre so schlimm daran, wenn ein ulkiger Papagei ausstirbt? Denn - so lautet das einfache Argument - es sterben mittlerweile schlicht so viele Arten aus, weil es nun mal so extrem viele, spezialisierte Arten gibt.Ich kann es nicht mehr genau rekonstruieren; bei irgendeiner Show oder einem Programm äußerte sich vor ein paar Jahren Dieter Nuhr über Umwelt- und Klimaschutz mit der Ansicht, es ginge nicht darum, dass man die Natur schützen müsse. Sinngemäß sagte er: "Der Natur ist das scheißegal. Die tauscht ein paar tausend Arten aus und macht weiter." Schädlich sei das alles nur für den Menschen.Andererseits ziehen einige Leute sogar diesen vermeintlichen Schaden für die Menschheit in Zweifel und argumentieren, dass man zum Beispiel in nördlichen Regionen anbauen könnte, wenn es auf der Welt wärmer werde usw. usw. Kommt man gegen solche Argumente an? Tangieren uns überhaupt die paar Vögel und Wale und sonstige Arten, die aussterben und an deren Stelle eben andere Lebewesen treten; neue, besser angepasste, weltweit verbreitete Tier- und Pflanzenarten?Hierauf kann ich nur mit meiner eigenen Meinung antworten. Ich glaube, Inseln wie Mauritius zeigen uns, wie leicht ein Ökosystem im Kleinen zusammenbrechen kann. Vieles hängt miteinander zusammen. Daher können wir gar nicht abschätzen, welche Auswirkungen das Verschwinden einer Art hat, die womöglich viele andere mit sich nimmt, weil das Gleichgewicht gestört ist. Insektizide töten Pflanzenschädlinge, aber gleichzeitig auch Bestäuberinsekten, die für ertragreiche Ernten ebenso wichtig sind wie ein intelligenter Pflanzenschutz. Die meisten Menschen, möchte ich behaupten, ernähren sich heutzutage im Gegensatz zu unseren Vorfahren nur noch von einer Handvoll Lebensmitteln. Einiges davon gab es früher im europäischen Raum gar nicht, zum Beispiel die Kartoffel. Stattdessen aßen wir diverses Wurzelwerk und Kräuter, von denen wir heute kaum mehr wissen. In der Neuzeit wurden von Großkonzernen wie Monsanto ein paar Arten hochgezüchtet und verbreitet, bis sie alles andere fast völlig verdrängten. 94% des einstigen Saatgutes sind in den letzten 100 Jahren verschwunden. Es gibt zwar einen Trend zurück zu den Wurzeln im wahrsten Sinne des Wortes, aber die meisten werden bei ihren Nudeln und Kartoffeln bleiben. Monokulturen sind anfällig für Krankheiten und Schädlingsbefall, auf dem Feld genauso wie in unseren angelegten Wäldern. Massentierhaltung ist das Äquivalent zu diesem einseitigen Anbau. Ich glaube nicht, dass wir unsere Welt so weit reduzieren können, auf ein paar Basisbausteine aus Nutztieren und Kulturpflanzen, dass am Ende trotzdem noch alles funktioniert. Sümpfe, Mangrovenwälder, reiche Ökosysteme in Steppen und Wüsten sind nicht einfach ungenutztes Land, das man kultivieren müsste. Insekten oder Wildtiere sind keine Plagen, die einer Urbarmachung im Weg stehen. Sogar Fledermäuse, die oftmals als unheilvoll empfunden und gejagt werden, tragen mancherorts zur Bestäubung von Pflanzen bei. All diese Wechselbeziehungen von komplexen Ökosystemen werden oft außer Acht gelassen. Das Gleichgewicht unserer Erde hängt meines Erachtens von der Vielfalt ab.
Laut den letzten Berichten des IPBES ist die Biodiversität weltweit in einem schlechteren Zustand als erwartet. 6,6 Millionen Quadratkilometer in Afrika sind abgebaut oder stark beeinträchtigt, das ist nach meiner Berechnung ein Fünftel der Gesamtfläche. Ähnlich beeinträchtigt sind 65% der Fläche in Amerika. 8 der 10 am stärksten verschmutzten Flüsse liegen in Asien. Durch die Globalisierung bleiben die Probleme nicht innerhalb der Landesgrenzen, sondern hängen miteinander zusammen.

Von Spiegel Online zusammengefasst
Die wichtigsten Erkenntnisse des Berichts über den weltweiten Zustand der Natur:
  • 85 Prozent der Feuchtgebiete sind bereits zerstört
  • Seit dem späten 19. Jahrhundert sind rund die Hälfte aller Korallenriffe verschwunden
  • Neun Prozent aller Nutztierrassen sind ausgestorben
  • Zwischen 1980 und dem Jahr 2000 wurden 100 Millionen Hektar tropischer Regenwald abgeholzt - weitere 32 Millionen Hektar allein zwischen 2010 und 2015
  • 23 Prozent der Landfläche des Planeten gelten als ökologisch heruntergewirtschaftet und können nicht mehr genutzt werden
  • Der Verlust von Bestäuberinsekten bedroht Nahrungsmittelproduktion im Wert von 235 bis 577 Milliarden Dollar pro Jahr
  • Durch die Zerstörung von Küstengebieten wie Mangrovenwäldern ist die Lebensgrundlage von bis zu 300 Millionen Menschen gefährdet

Samstag, 25. Januar 2020

Die letzten ihrer Art [Teil 2]

Douglas Adams und Mark Cawardine
Die letzten ihrer Art
Eine Reise zu den aussterbenden Tieren unserer Erde
Beim letzten Mal haben wir erfahren, dass es Drachen wirklich gibt, warum das Weiße Rhinozeros nicht heller ist als seine Artgenossen und was Spechte damit zu tun haben, dass die Finger der Aye-Ayes so lang sind.
Beschäftigt man sich mit aussterbenden Tierarten, von denen viele einzig in bestimmten Regionen und vor allem auf Inseln vorkommen, wird man früher oder später mit den Begriffen "endemisch" und "exotisch" konfrontiert. Endemische Arten oder Endemiten sind Lebewesen, die nur in einer bestimmten Region vorkommen und sich dort natürlich entwickelt haben. Exoten hingegen sind solche, die dort ursprünglich nicht heimisch waren, sondern in den meisten Fällen vom Menschen irgendwann angesiedelt wurden. Zu diesen exotischen Arten zählen insbesondere Ratten, Katzen, Hunde oder Hasen. Das ist deshalb so entscheidend, weil vor allem Inseln fragile Systeme sind, auf denen weit weniger Arten ums Überleben kämpfen als auf dem großen Festland. Diese endemischen Arten haben sich unterschiedlich differenziert und angepasst. Insofern sie nicht durch Verlust des Habitats oder Jagd bedroht sind, können sie allein durch das Eindringen von Exoten massiv gefährdet sein, zumindest solchen Arten, die fast überall auf der Welt existieren und sich schneller an Umgebungen anpassen, da sie aggressiver sind und eine höhere Fertilitätsrate aufweisen. Diese Exoten haben oftmals keine natürlichen Feinde in der neuen Umgebung. Sie werden selbst zu Fressfeinden zum Beispiel für die heimischen Vögel oder treten in Konkurrenz bei der Nahrungssuche.
Ist man in Neuseeland im Dschungel oder den Wäldern unterwegs, muss man sich nicht die Frage stellen, was zu tun ist, sollte man einem Bären oder Wolf begegnen. Solche Raubtiere gibt es auf Neuseeland nicht. Aus diesem Grund konnte sich die dortige Vogelwelt auf einzigartige Weise entwickeln.




Der Kakapo oder Eulenpapagei auf Neuseeland war der Auslöser dafür, dass ich mir das Buch von Douglas Adams überhaupt komplett angehört habe. Seine Geschichte ist die wohl witzigste, absurdeste und positivste im ganzen Buch. Dieser große, flugunfähige Papagei galt zwischenzeitlich als ausgestorben und tatsächlich ist er das auf den beiden Hauptinsel von Neuseeland auch, da mit dem Menschen neue Feinde wie Opossums oder Ratten auf die Inseln kamen. Der Kakapo war nie mit Raubtieren am Boden konfrontiert und besitzt daher keinen Fluchtinstinkt. Wenn etwas auf ihn zuschleicht, bleibt er einfach sitzen. Diese Erstarrung wäre bei Gefahr aus der Luft nicht die schlechteste Strategie, aber am Boden ... Kein Wunder also, dass er nahezu ausstarb.
In den 70er Jahren wurden ein paar Kakapos entdeckt. Sie leben heute lediglich auf wenigen Inseln vor Neuseeland und gehören zu den am besten überwachten Tieren der Welt. Ihre Population war leider zu Beginn des Schutzprogramms so klein, dass die fehlende Vielfalt des genetischen Materials zu einer schlechten Fruchtbarkeit führte. Abgesehen davon, dass der Kakapo eher einer schwerfälligen Henne als einem Papageien ähnelt, hat er noch dazu sehr ungünstige Paarungsgewohnheiten.
Er ist ein Einzelgänger und begegnet bloß äußerst selten seinen Artgenossen, erst recht jenen des anderen Geschlechts. Das Männchen trifft jedes Jahr ab Oktober alle Vorbereitungen, um ein Weibchen anzulocken. Er putzt aufs Penibelste eine Stelle und den umliegenden Weg dorthin. Dann fängt der Kakapo mit seinem Balzgesang an.
Dieser Gesang ist ... ziemlich vielfältig und merkwürdig. Er besteht aus Pfeiftönen (zu denen auch einige andere Papageien fähig sind) und einer Art Zwitschern (dem "chinging"); dann ein stockendes Brummen, Knattern, Grunzen, Keuchen und Kreischen, was stellenweise klingt wie ein Esel oder eine extrem langgezogen und laut quietschende Schaukel aus einem alten Horrorstreifen (Antwortschreie); und zuletzt noch das für den Kakapo charakteristische kurze Brummen oder Summen (sogenanntes "booming", das sich durch seine tiefe Frequenz anfühlt wie ein Herzschlag). Was auch immer diese ganzen Geräusche sein sollen, wie ein Vogel klingt es jedenfalls oft nicht.
Der Ruf, besonders das "booming", ist kilometerweit zu hören, einer der weitreichendsten überhaupt im Vogelreich. Doch leider ist er auch in einer so tiefen Tonlage, dass er sich schwer orten lässt. Das Weibchen kann diesen Gesang demnach wahrnehmen, aber dummerweise nicht lokalisieren. Außerdem hat sie meistens kein Interesse daran. Dass sich das Weibchen nämlich zur Paarung bereit erklärt, hängt davon ab, ob die neuseeländischen Rimu-Bäume Früchte tragen, was nur aller zwei bis vier Jahre der Fall ist. Während das Kakapo-Männchen also an seinem schick gemachten Platz sitzt und komisch singt, läuft das Kakapo-Weibchen, insofern sie das Werben nicht komplett ignoriert, oft tagelang herum und sucht nach ihm. Bis zu 20 Kilometer kann sie dabei zurücklegen. Und wenn sie ihn dann gefunden hat, heißt das noch nicht, dass sie sich darauf einlässt. Entspricht das Männchen nicht ihren Vorstellungen, zieht sie wieder von dannen. Der dicke Papageienmann hat demnach oft umsonst bei seinem wochenlangen absurden Gesang die Hälfte seines Gewichts eingebüßt. Er frisst sich ein paar Pfunde an und versucht es nächstes Jahr erneut.
Was hat sich die Natur bloß dabei gedacht? Andererseits geschieht auch nichts in der Natur ohne Grund. Der Kakapo mag groß und schwerfällig wirken, doch da er einfach nicht mehr auf das Fliegen angewiesen war, wurde diese Fähigkeit zugunsten seiner Reserven aufgegeben. Er ist robust und langlebig, seine Lebenserwartung übersteigt 60 Jahre, angeblich soll er sogar 100 Jahre alt werden können, womit er einer der ältesten Vögel der Welt ist. Die Population auf Inseln darf nicht überhand nehmen, damit sich eine Art nicht aus Nahrungsmangel selbst auslöscht. Das Fehlen von natürlichen Feinden würde sonst zu einer rapiden Vermehrung führen. All dies stellt den Kakapo als ideal angepasst heraus. Bis eben zu dem Moment, an dem das Gleichgewicht gestört wird.
Ohne die Hilfe des Menschen wäre der Kakapo bereits ausgestorben. Heute hat sich die Population von dem Tiefstand von unter 50 Vögeln auf über 200 erholt.

Der Jangtse-Delfin, auch Chinesischer Flussdelfin oder Baiji, hatte nicht so viel Glück wie der Kakapo. Wie sein Name schon sagt, lebt er im Jangtsekiang, dem längsten Fluss Chinas. Dieser Fluss ist eine wichtige Schifffahrtsstraße für sämtlichen Güter- und Personenverkehr, er ist mit Stauseen und Hebewerken versehen, mit Turbinen und Generatoren zur Stromerzeugung, es werden Schadstoffe und Abwässer in ihn hineingeleitet und er spült von allen Flüssen auf der Welt das meiste Plastik ins Meer. Der ökologische Zustand des Jangtse macht es den endemischen Arten sehr schwer, unter anderem dem Baiji.
Ein auffälliges körperliches Merkmal des Baiji sind seine weit oben stehenden, verkümmerten Augen. Er ist fast blind und orientiert sich per Echo, ähnlich wie Fledermäuse. Abgesehen von den Schadstoffen im Jangtse, die den Baiji gesundheitlich angreifen, so macht ihm die starke Schifffahrt und Lärmverschmutzung zu schaffen. Er verlor oftmals die Orientierung und geriet beim Auftauchen in Schiffsschrauben oder versuchte sich am Rand des Flusses zu halten und verfing sich dabei in Fischernetzen.
Als Adams und Cawardine sich nach dem Delfin auf die Suche machten, war die Bedrohung des Baiji längst erkannt. Er wurde von der Volksrepublik China unter Schutz gestellt, die Jagd auf ihn verboten, es sollte ein Reservat für ihn am Jangtse eingerichtet werden und er sollte sogar als Touristenattraktion vermarktet werden. Sämtliche Bemühungen waren umsonst. Der Baiji gilt heute mit hoher Wahrscheinlichkeit als ausgestorben. Alle Sichtungen ab 2007 sind vermutlich Verwechslungen mit Finnenlosen Schweinswalen. Damit wäre der Baiji die erste in historischer Zeit ausgestorbene Walart.
Ein ähnliches Schicksal ist vielleicht auch dem Vaquita bzw. Kalifornischen Schweinswal beschieden, dem kleinsten Wal der Welt, der mit seiner ungewöhnlichen Gesichtsmusterung an einen Panda oder Clown erinnert. Er ist massiv durch die eigentlich verbotenen Stellnetze zum Fischfang von Totoabas bedroht, da er sich unbeabsichtigt darin verfängt und ertrinkt. In diesem Jahr sollen noch knapp 20 Vaquitas gesichtet worden sein.
Der Rodrigues-Flughund auf Mauritius war die letzte Station von Adams und Cawardine, obwohl sie sich mit ihm weit weniger beschäftigten als mit der einheimischen Vogelwelt. Denn diesem Flughund geht es von den hier genannten Arten noch am besten. Es gibt einige hundert Exemplare, die auf Rodrigues, einer Insel vor Mauritius, endemisch sind. Sie sind bedroht durch Verlust ihres Habitats und durch Bejagung. Anders als die in Deutschland lebenden knapp 25 Arten Fledermäuse, die ausschließlich von erjagten Insekten leben, so ernähren sich die weit größeren Flughunde meist von Früchten. Der Rodrigues-Flughund erreicht eine Flügelspannweite von fast einem Meter.
Sehr viel bekannter ist jedoch ein anderes Tier, das auf Mauritius lebte und in der ganzen Thematik eine Sonderstellung einnimmt: der Dodo. Dieser flugunfähige Vogel hatte mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen wie der Kakapo. Er war den eingeschleppten Raubtieren schutzlos ausgeliefert. Seine Eier wurden, da er am Boden nistete, zur leichten Beute. Zudem fingen Seefahrer ihn oftmals ein, um ihn als Proviant auf Schiffen zu halten, auch wenn er nicht besonders gut schmeckte. Keine 100 Jahre nach seiner Entdeckung wurde der letzte Dodo vermutlich von Menschen totgeschlagen, ohne dass diese sich groß Gedanken darüber machten. Es existierte kein richtiges Verständnis dafür, dass eine Art nicht für immer da sein würde, dass sie auch einfach aussterben konnte. Flora und Fauna wurden als von Gott geschaffen und unveränderlich wahrgenommen. Darwin lag noch in der Zukunft. Es brauchte wiederum zwei Jahrhunderte, bis der Dodo durch Lewis Carrolls "Alice im Wunderland" traurige Berühmtheit erlangte. Heute ist er zum Symbol für das Artensterben an sich geworden.
Zumindest mit den Tieren, die im Buch von Adams und Cawardine behandelt werden, sind wir damit am Ende angelangt. Ich schließe dem noch einen dritten Teil mit Ergänzungen an, die sich nicht mehr so sehr auf das Buch beziehen.