Ein Pamphlet über zunehmende Kommerzialisierung?
Als Einstieg:
Beschissen, dass heutzutage nicht mehr das Können zählt, sondern nur
noch der Kommerz, sodass Bands wie Thora nicht einmal ein Label finden,
um ihre dritte Platte zu produzieren. Trotzdem stellt diese Band "Baby
No. 666" online, damit ihre Fans sie kostenlos herunterladen können.
Hier ist es legal. Wer die Musik wirklich mag, dem sollte sie auch so
wichtig sein, sich das Album zu kaufen. Aber was die Plattenindustrie
macht, ist den meisten Konsumenten des Mindcandy aus der Flimmerkiste
sowieso egal; die neuesten Singles kann man bequem "downloaden".
Sogenannte Künstler unserer dekadenten Musikbranche können kein einziges
Instrument spielen, nicht texten, nicht einmal singen und halten nur
ihr genormtes Gesicht in die Kamera. Musik aus der Dose, für die
Massenseele.
Dabei ist "Baby No. 666" meines Erachtens eines der besten neuen Alben,
die in diesem Jahr veröffentlicht wurden. Auch Scream Silence können
sich mit "Aphelia" hier einordnen und ASP, der das letzte und
wahrscheinlich beste Kapitel des Schwarzen Schmetterlings ans Licht
gebracht hat. Aber wer hört das schon? Steht ja nicht in den Charts und
Individualität sollte eh verboten werden.
Als ich mich mit meiner Freundin zum WGT 2007 mit Sven Friedrich
(Zeraphine, Dreadful Shadows, Solar Fake) unterhielt, bestätigte er
viele dieser Gedanken, die mir kurz zuvor durch den Kopf gegangen waren.
Große wie kleine Label bekommen die Möglichkeiten des World Wide Web am
eigenen Leib zu spüren, da das Herunterladen von Musik einfacher,
schneller und vor allen Dingen preiswerter ist, als sich die CDs im
Laden zu kaufen oder auf anderen Wegen an die Lieder heranzukommen, zum
Beispiel gegen Bezahlung die MP3-Dateien herunterzuladen auf den
dementsprechenden (seriösen!) Seiten. Doch letztendlich sind es die
Bands, die darunter leiden, vor allen Dingen die unbekannten.
Auf der anderen Seite ist es mittlerweile in vielen Clubs verboten,
gebrannte CDs zu spielen. Die meisten CDs besitzen so oder so bereits
einen Brennschutz, wobei man sich fragt, weshalb? Wenn jemand für ein
Album kein Geld ausgeben möchte, dann wird er auch auf anderem Wege
herankommen. Aber für den privaten Gebrauch sollte es auf jeden Fall
gestattet sein, die eigenen CDs zu brennen. Wer bringt schon mit gutem
Gewissen seine Originale in Clubs mit, um sie dort abzuspielen? Wer
schleppt schon gern die Originale von daheim mit ins Auto oder zur
Arbeit, um sie dort zu hören, und später wieder zurück? Die kleinen
Silberlinge halten schließlich nicht ewig.
ASP unterstützt deshalb seine - ich will es mal so nennen - Kampagne: "Ich will brennen".
Aber zurück zum eigentlichen Thema und den negativen Seiten des Brennens.
Womit kann man die Fans noch locken, wie kann man sie dazu bringen, sich
das Album zu kaufen? In erster Linie denkt man hier an die Aufmachung,
das Booklet, welches man zu einer gebrannten CD nicht bekommt. Aber Sven
meinte selbst, ein Booklet sei teuer. Sicher, in der Schwarzen Szene
ist es einfacher, die Fans zum Kauf zu bewegen, weil hier die
Mentalitäten (noch) anders geprägt sind. Aber dazu muss man kleine Bands
überhaupt erst einmal kennen. Und die zunehmende Kommerzialisierung
macht es eher den Aufnäher- und T-Shirt-Bands leichter, deren Logos
einem überall entgegenblitzen: KoRn, Marilyn Manson, SlipKnot ... da muss
sich selbst unsere skandinavische Front fast geschlagen geben vor einer
solchen Flut berechnetem Merchandising.
Und dann fiel mir eine deutsche Band ein, die auch ihren Durchbruch
geschafft hatte, wie kaum eine andere Untergrundband aus den deutschen
Reihen: Oomph!
Lange Rede, kurzer Sinn.
Ich wollte endlich den Weblogeintrag über das Konzert von Oomph! 2006
verfassen, den ich nun Ewigkeiten vor mir herschob. Dieses Konzert hat
mir einiges bewusst gemacht und anderes wiederum anders gezeigt, als ich
es bis dato erwartet hatte.
26.05.2006
Oomph! - Glaube Liebe Tod
Konzert im Haus Auensee, Leipzig
Das neue Album von Oomph!, "Glaube Liebe Tod", ging wieder in eine
Schiene, die ich besser finde. Ich mochte die entstellende Aussage im
Titel, die wieder auf die Blasphemie hindeutete, welche Oomph!
schon immer verkörperten. Im christlichen Glauben beweihräuchert man
immer die drei höchsten Güter des Menschen: Glaube, Liebe und Hoffnung.
Diese Worte zu missbrauchen und die Hoffnung mit dem Tod gleichzusetzen
gefiel mir erst einmal.
Mein Lieblingsalbum von Oomph! war schon immer "Ego" gewesen. Der
Übergang vom Industrial zum Gothic-Rock war hier noch nicht ganz
vollzogen, aber auf jeden Fall deutlich spürbar. Aber bei Oomph! ist das
so eine Sache, mit dem Lieblingsalbum...
Das neue war für meine Ohren auf jeden Fall besser als "Wahrheit oder
Pflicht", auch wenn letzteres sich am besten verkauft hat. Emu meinte
dazu mal, "Wahrheit oder Pflicht" ginge schnell zum Ohr herein, aber
auch genauso schnell wieder heraus. Obwohl die Lieder auf diesem Album
nicht viel schlechter waren als sonst. "Wenn du weinst" mag ich zum
Beispiel sehr. Komischerweise hört es damit schon fast auf.
Meine Ansicht damals zum neuesten Album:
Bei Oomph! gibt es auf jedem Album Lieder, die ich mag und welche die
ich... scheiße finde. Und auf "Glaube Liebe Tod" sind manche Songs...
echt scheiße. Ich meine, so wirklich scheiße.
"Die Schlinge"... Das ist eine Anlehnung an "Spiel mir das Lied vom
Tod", mit einer Mundharmonikauntermalung, um den Wildwesterntouch
rüberzubringen.
Oder "Mein Schatz"... Hiermit ist tatsächlich die Geschichte um den Ring von Herr der Ringe gemeint.
Und "Land in Sicht" ist genauso furchtbar. Darin sind die Strophen zwar
nicht schlecht, aber der Refrain zerstört alles, da er wie ein Schlager
klingt, sowohl instrumental als auch vom Text her. ("Du bist mein
Leuchtturmlicht..." - ja, das singt er wirklich.)
Dann wiederum gibt es Lieder, die in der gesamten Laufbahn der Band kaum
besser hätten sein können, "Zu viel Liebe kann dich töten"
beispielsweise.
Mit all diesen Gedanken ging ich damals mit meiner Freundin zum Konzert
von Oomph!, das kurz vor dem WGT 06 stattfand. Es war schließlich nicht
unser erstes Konzert von ihnen gewesen, das meine Freundin und ich
besuchten.
Ich stellte mir verschiedene Fragen. Würde es kommerzieller sein und nur
so von Nachsteigerfans wimmeln? Das war an sich nichts Schlechtes,
solange sie mehr kannten als nur die Singleauskopplungen und sich nicht
benahmen wie postpupertäre Satanisten oder kreischende Groupies. Oder
hatte sich die Welle trotz Popularität gelegt? Wie würden die Leute
aussehen, eher bunt, eher schwarz? Ich dachte an Normalos, Möchtegerns
und Mitschwimmer - hatte sich das bestätigt?
Teils, teils, aber eigentlich ging es erstaunlicherweise doch in eine
ganz andere Richtung. Natürlich hat man gemerkt, dass es durchaus
kommerzieller geworden ist, aber nur, was die Besucher anbelangt.
Meine Freundin und ich standen ziemlich weit vorn, zweite Reihe,
manchmal sogar erste. Dero hat sich ein paar Mal über die Menge tragen
lassen, ich hatte das Vergnügen, ihm versehentlich an sein Bestes zu
greifen, meine Freundin hat er getreten. Wir wurden herumgeschubst,
angepokt, beim Headbanging von einigen getreten und geschlagen.
Insgesamt kann man sagen, dass es doch recht lustig war. Wie ein
Metalkonzert eben.
Aber dennoch war es seltsam, dass Dero beispielsweise nicht weit
gekommen ist, wenn er sich von der Menge tragen ließ. Ganz einfach
deshalb, weil da viel mehr Mädchen waren, die ihn anfassen wollten,
anstatt ihn weiterzureichen. Und das konnte ich nicht verstehen. Es war
ein komischer Nachgeschmack dabei, den ich jetzt nicht mehr erklären
kann.
Es war sonst alles wunderbar blasphemisch. Selbst "Gott ist ein Popstar" hatte eine viel härtere Note.
Sicher haben die Bodyguards gedacht, sie hätten eine riesige, kranke
Sekte vor sich, als wir alle einstimmig das Vater unser schrien. Dann
wurden Dinge wie "Gekreuzigt" gespielt, man konnte "Feiert das Kreuz"
mitbrüllen, "Ich bin der neue Gott" oder solche Dinge wie "Ave Satani et
Stupor et Christi" und "Gott ist tot".
Doch tatsächlich wurden die Stimmen bei diesen Liedern schwächer.
Vielleicht weil sie nicht gerade vom letzten oder vorletzten Album
waren?
Oomph! haben eigentlich schon immer recht kommerzielle Lieder
geschrieben, was das anbelangt. Man kann nicht sagen, dass sich das
geändert hat, nur weil sie bekannt geworden sind - es war schon vorher
so, das Potenzial dazu bestand.
Dennoch... mir gefällt das Gefühl nicht, zu merken, dass Oomph! für
manche scheinbar erst zwei Alben rausgebracht haben und dass Ego,
Plastik, Unrein, Wunschkind, Sperm, Defekt und alles davor und
dazwischen vergessen wird.
Am Ende der Zugabe haben meine Freundin und ich mit einigen wenigen
angefangen "Wie schmeckt dir mein Herz" zu rufen. Es tat weh, dass viele
"Fans" scheinbar gar nicht verstanden, was wir riefen. "Mein Herz" war
das allererste Lied von Oomph!. Wir haben es bereits auf dem letzten
Konzert, was nun schon lange her ist, gerufen und Dero hat es
schließlich für uns ohne Begleitung der Band gesungen. Doch dieses Mal
waren es nicht halb so viele, die mitriefen. Die Zugabe, die daraufhin
gespielt wurde, war "Das letzte Streichholz", wenn ich mich recht
erinnere. Auch dieser Zug von Dero hatte einen unangenehmen
Nachgeschmack...
Dieser Punkt, den ich schon die ganze Zeit schlicht und vielleicht
unberechtigterweise auf die Kommerzialisierung schiebe, ist ein Teil des
Grundes, weshalb ich nicht noch einmal auf ein Konzert von Oomph! gehen
möchte.
Der zweite, viel wichtigere Punkt allerdings hat im Großen und Ganzen
nichts mit dem Publikum zu tun. Das letzte Konzert von Oomph! war vom
Aufbau ähnlich wie dieses hier. Nach wie vor finde ich viele Lieder
toll. Beispielsweise gehören "Du willst es doch auch" vom neuen Album
oder "Going down" von dem davor oder auch "Niemand" auf jeden Fall zu
den besten Liedern von Oomph!.
Doch diese aufputschende Wirkung, die es früher auf mich hatte, ist
mittlerweile nicht mehr da. Es liegt nicht an Oomph!, dass ich das nicht
mehr fühle, sondern allein an mir. Es gibt mir nicht mehr so viel, wie
es das früher getan hat.
Darum kein weiteres Mal.